Verkauf vor Insolvenzeröffnung: Möglichkeiten, Vorteile und rechtliche Aspekte

Verkauf vor Insolvenzeröffnung_ Möglichkeiten, Vorteile und rechtliche Aspekte - Unternehmer Radio klärt auf
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Wenn ein in die Krise geratenes Unternehmen zum Verkauf steht, bietet die Übernahme aufseiten des Veräußerers wie auch aufseiten des Erwerbers zahlreiche Vorteile ggü. einer geordneten Insolvenz. Ein wesentlicher Vorteil betrifft die Kundenwahrnehmung des Unternehmens.

In allen Bereichen, in denen eine Kontinuität im Service / Wartung eine Rolle spielt (z.B. Software), stellt eine Insolvenz einen deutlichen Nachteil ggü. einer Fortführung des Unternehmens dar, weil das Risiko vom Kunden neu bewertet wird und die Gefahr in Zukunft nicht mehr auf den verlässlichen Partner zurückgreifen zu können, die Frage aufwirft, ob man diesen dann nicht lieber gleich wechseln sollte.

In jedem Fall trübt eine Insolvenz das Image und Außenwahrnehmung des Unternehmens, unabhängig von Produkt und Servicequalität.

Was versteht man unter Insolvenz?

Insolvenz bezeichnet die Situation, in der ein Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, also zahlungsunfähig ist. Dies kann Unternehmen, Selbstständige sowie Privatpersonen betreffen.

Die Insolvenzordnung (InsO) in Deutschland regelt das Verfahren, das darauf abzielt, die Gläubiger eines insolventen Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners (Wohnung, Immobilien, usw.) verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird.

Ziel kann auch die Sanierung des schuldnerischen Unternehmens sein, um dessen Fortbestand zu ermöglichen. Ein Insolvenzverfahren wird auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers beim zuständigen Insolvenzgericht eingeleitet. Die Eröffnung setzt voraus, dass eine Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Im Verfahren wird ein Insolvenzverwalter bestellt, der das Vermögen des Schuldners verwaltet und verwertet.

Warum vor Insolvenzeröffnung verkaufen?

Insolvenzen haben sehr unterschiedliche Ursachen. Liegt die Schwäche des Unternehmens beispielsweise im Vertrieb und die angebotene Dienstleistung an sich ist von guter Qualität, so kann es für ein übernehmendes Unternehmen mit guter Auslastung sinnvoll sein, einen Wettbewerber zu einem günstigen Preis zu erwerben. Im umgekehrten Fall (starker Vertrieb, schwache Produkte) stellt sich die Frage, ob ein Erwerb der Mitarbeiter und Kunden per Asset Deal möglich und sinnvoll ist.

Ein klarer Vorteil eines Erwerbs vor der Insolvenz besteht darin, dass in einem Insolvenzverfahren potenzielle Investoren in einen Bieterprozess eintreten, weil der Insolvenzverwalter angehalten ist, die Insolvenzmasse zu maximieren.

Bei einem Einstieg vor einer drohenden Insolvenz ist es möglich, als einziger Kaufinteressent direkt mit dem Firmeninhaber zu verhandeln und den finanziellen Druck im eigenen Interesse in der Kaufpreisverhandlung zu nutzen bzw. einzelne werthaltige Assets (beispielsweise Markennamen oder Patente) herauszulösen. Ebenso kann die Anrechnung /Rettung von Verlustvorträgen ein Motiv und Vorteil einer solchen Akquisition sein.

Bei einem kompletten Erwerb eines Unternehmens vor Insolvenz steht in der Regel das Ablösen der Schulden und die Schaffung neuer Liquidität im Vordergrund.

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Wie läuft der Verkauf im (vorläufigen) Insolvenzverfahren ab?

Der Verkauf eines Unternehmens im Rahmen eines (vorläufigen) Insolvenzverfahrens in Deutschland ist ein komplexer Prozess, der sorgfältige Planung und die Zusammenarbeit mit Insolvenzexperten erfordert. Ziel ist es oft, den Geschäftsbetrieb zu sanieren oder zumindest Teile des Unternehmens zu veräußern, um die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen.

Hier sind die grundlegenden Schritte und Aspekte, die berücksichtigt werden müssen:

  1. Vorläufiges Insolvenzverfahren: Bevor das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet wird, kann ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet werden. In dieser Phase wird in der Regel ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat die Aufgabe, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten. Ein Verkauf in dieser Phase kann unter bestimmten Umständen möglich sein, insbesondere wenn es darum geht, den Wert des Unternehmens zu erhalten oder zu steigern.
  2. Bewertung und Fortführung des Geschäftsbetriebs: Der (vorläufige) Insolvenzverwalter wird eine Bewertung des Unternehmens durchführen, um dessen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu ermitteln. Teil dieser Bewertung ist die Prüfung, ob eine Fortführung des Geschäftsbetriebs sinnvoll und möglich ist. Diese Entscheidung ist wesentlich, da ein fortgeführter Betrieb oft attraktiver für potenzielle Käufer ist.
  3. Suche nach Investoren/Käufern: Der Insolvenzverwalter wird aktiv nach potenziellen Käufern oder Investoren suchen. Dies kann durch direkte Ansprache, öffentliche Ausschreibungen oder durch die Beauftragung von Beratern bzw. M&A-Spezialisten erfolgen. Ziel ist es, das Interesse am Markt zu wecken und den besten Käufer für das Unternehmen oder Teile davon zu finden.
  4. Verhandlungen und Verkaufsprozess: Sobald potenzielle Käufer identifiziert sind, beginnen die Verhandlungen. Der Insolvenzverwalter vertritt dabei die Interessen der Gläubiger und muss einen möglichst hohen Verkaufserlös erzielen. Der Verkaufsprozess ist oft komplex und beinhaltet rechtliche, finanzielle und betriebliche Prüfungen (Due Diligence) durch den Käufer.
  5. Genehmigung des Verkaufs: Jeder Verkauf muss vom Insolvenzgericht genehmigt werden. Dabei prüft das Gericht, ob der Verkauf im besten Interesse der Gläubiger ist. In manchen Fällen kann auch eine Gläubigerversammlung einberufen werden, um über den Verkauf zu entscheiden.
  6. Übertragung und Abschluss: Nach Genehmigung durch das Insolvenzgericht kann der Verkauf formalisiert und abgeschlossen werden. Dies beinhaltet die Übertragung von Eigentumsrechten, die Erfüllung aller vertraglichen Verpflichtungen und gegebenenfalls die Übernahme von Mitarbeitern durch den Käufer.

Möglichkeiten für den Verkauf

Der Verkauf eines Unternehmens vor der Insolvenzeröffnung kann durch verschiedene Strategien erfolgen, um die bestmöglichen Bedingungen für Gläubiger, Angestellte und die Unternehmenskontinuität zu gewährleisten.

Eigenverwaltung

Eigenverwaltung bietet dem Unternehmen die Chance, unter Aufsicht eines Sachwalters die Sanierung selbst zu steuern, wodurch die Geschäftsleitung aktiv am Restrukturierungsprozess teilnimmt. Diese Option ermöglicht eine effizientere Fortführung des Geschäftsbetriebs und den Erhalt von Unternehmenswerten.

Sanierung

Sanierung kann entweder außergerichtlich durch Restrukturierungsmaßnahmen wie Kostenreduktion, Neuausrichtung der Geschäftsstrategie und Verhandlungen mit Gläubigern erfolgen oder gerichtlich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Ziel ist es, die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens wiederherzustellen und eine Grundlage für den Verkauf zu schaffen.

M&A-Transaktionen (Mergers & Acquisitions)

Transaktionen sind ein weiterer Weg, bei dem das Unternehmen oder Teile davon an einen Investor oder einen Wettbewerber verkauft werden. Dies kann durch strategische Partnerschaften, Fusionen oder den direkten Verkauf von Unternehmensanteilen erfolgen.

M&A bietet die Möglichkeit, Synergien zu nutzen, die Marktposition zu stärken oder schnellen Zugang zu neuen Märkten zu erhalten, was besonders in prekären finanziellen Situationen attraktiv sein kann.

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Rechtliche Aspekte

Zur Sanierung von krisengeschüttelten Unternehmen hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) geschaffen. Der Vorteil einer solchen außergerichtlichen Sanierung (Forderungsverzichte) ohne Insolvenzverfahren ist zum einen, dass die Geschäftstätigkeit nach außen ohne Bruch fortgesetzt wird und zum anderen, dass dennoch mit Gläubigern über einen partiellen Forderungsverzicht verhandelt werden kann. 

In jedem Fall sollte sich der Erwerber seiner Haftungsrisiken bewusst sein und diese genau beleuchten. Nach § 25 HGB, haftet der neue Eigentümer (genauso wie der Voreigentümer – im Zeitraum von 5 Jahren) gesamtschuldnerisch für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Gesellschafters.

Wenn einzelne Assets verkauft werden, ist strikt darauf zu achten, dass der Anschein einer Fortführung des Unternehmens auch nach außen vermieden wird. Entscheidend für diese Frage ist, ob der Kern des Unternehmens übernommen wurde und ob der allgemeine Geschäftsverkehr das neue Unternehmen mit der alten Firma assoziiert.

Wollen die an der Transaktion beteiligten Parteien eine Haftung des neuen Unternehmens  nach § 25 HGB ausschließen, können sie dies durch unverzügliche Eintragung und Bekanntmachung im Handelsregister eingetragen tun. 

Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass einzelne aus dem Unternehmen herausgelöste Assets zum fairen Marktwert erworben werden, da es sonst zu Anfechtung des Geschäftes durch den Insolvenzverwalter kommen kann, weil die Haftungsmasse der Gläubiger auf diese Weise geschmälert wurde.

Vorteile und Risiken eines Verkaufs vor Insolvenzeröffnung

Bei einem Verkauf vor einem Insolvenzverfahren ergibt sich, dass der Gesellschafter immerhin auf einen (wenn auch geringen) Verkaufserlös hoffen kann, der in aller Regel bei einem Regelinsolvenzverfahren nicht auftritt, weil Verkaufserlös vollständig für die Befriedigung der Gläubiger aufgewendet wird.

Ebenso entfällt die Bezahlung des Insolvenzverwalters, der – je nach Insolvenzmasse – bis zu 40 % des Verkaufserlöses erhält. Die entscheidende Frage lautet in vielen Fällen, ob der Erwerber gewillt ist, die Gläubigerverhandlungen selbst zu führen und sich in die Details des StaRUG einzuarbeiten. Die Risiken im Bereich Steuern, Pensionsverpflichtungen und Arbeitnehmerentgelte sind in jedem Fall höher, als sie es bei einer Sanierung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind.

Eine Verlagerung von Produktionsstandorten bzw. eine Reorganisation mit möglichem Personalabbau kann häufig auf von Kündigungsschutzbestimmung leichter innerhalb eines Regelinsolvenzverfahrens durchgeführt werden. Bei Entlassungen aus betriebsbedingten Gründen ist der Arbeitgeber zu einer Auswahl nach Dauer der Betriebszugehörigkeit (bzw. Lebensalter) verpflichtet; dies führt häufig zu einer unausgewogenen Altersstruktur. 

Auch wenn die Insolvenz nach  § 108 Insolvenzordnung (InsO) kein Kündigungsgrund darstellt, ermöglicht sie es doch dem Insolvenzverwalter häufig doch mehr Flexibilität, um erhebliche Gründe für die Kündigung ins Feld zu führen. 

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Kommunikation und Transparenz 

Die Einbindung der betroffenen Parteien (Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten) stellt wie bei jeder Übernahme einen wichtigen Teil des Verkaufsprozesses dar. Häufig sind sich die Stakeholder der kritischen Lage im Unternehmen bewusst, sodass eine klare Kommunikation der Zukunftsperspektive wichtig ist.

Die Vorteile einer „gesichtswahrenden“ Restrukturierung in Eigenregie müssen sauber ggü. den Vorteilen eines Erwerbs aus der Regelinsolvenz abgewogen werden. Neben steuerlichen und arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten spielt die Geschwindigkeit und Flexibilität der Gestaltung einer Transaktion eine wesentliche Rolle für die Frage, welches Vorgehen bevorzugt werden soll.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Verkauf eines Unternehmens vor der Insolvenzeröffnung sowohl für den Veräußerer als auch für den Erwerber erhebliche Vorteile gegenüber einer regulären Insolvenz bieten kann. Dies betrifft insbesondere die Wahrung des Unternehmensimages und der Kundenwahrnehmung, was besonders in Branchen, in denen Kontinuität eine zentrale Rolle spielt, wie bei Softwareunternehmen, von Bedeutung ist.

Die Insolvenz, die eintritt, wenn ein Unternehmen (einschließlich GmbHs) oder eine Privatperson (Privatinsolvenz) zahlungsunfähig wird, führt oft zu einer negativen Außenwahrnehmung, unabhängig von der Qualität des Produkts oder der Dienstleistung. Bei einem Verkauf vor der Insolvenz kann der Veräußerer unter Umständen noch einen Erlös erzielen, während im regulären Insolvenzverfahren die Gläubigeransprüche im Vordergrund stehen.

Ein Verkauf vor der insolventen GmbH ermöglicht es dem Unternehmer, einzeln werthaltige Assets wie eine Immobilie, Wohnungen oder Häuser, aber auch Forderungen und Unternehmensanteile zu veräußern, bevor sie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nach drei Wochen zur Gläubigerbefriedigung herangezogen werden.

Dies bietet dem Erwerber die Möglichkeit, ohne die Komplexität eines Insolvenzverfahrens zu verhandeln und gegebenenfalls günstige Konditionen für den Unternehmenskauf auszuhandeln.

Wichtig ist jedoch die Beachtung der rechtlichen Aspekte, insbesondere hinsichtlich der Haftungsrisiken nach § 25 HGB und der Notwendigkeit, Transaktionen zu Marktwerten durchzuführen, um Anfechtungen durch den Insolvenzverwalter zu vermeiden.

Insgesamt bietet der Verkauf eines Unternehmens vor der Insolvenzeröffnung Chancen, birgt aber auch spezifische Risiken, die eine sorgfältige Abwägung und Berücksichtigung aller beteiligten Parteien erfordern. Die Entscheidung, ob ein Verkauf vor oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgen soll, hängt letztlich von den spezifischen Umständen des Einzelfalls und den Zielen der beteiligten Akteure ab.

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