Christian Geyer leitet als familieninterner Nachfolger die Tas AG mit Sitz in Thüringen. Gegründet von seinen Eltern kurz nach der Wende, zählt das Unternehmen heute zu den führenden Anbietern im Bereich Kundenkommunikation und Dienstleistungen.
2016 wurde die Tas AG ausgezeichnet mit dem großen Preis des Mittelstands, 2020 als Arbeitgeber des Jahres.
Christian Geyer engagiert sich außerdem als Landesvorsitzender von den “Jungen Unternehmern” in Sachsen und Thüringen, er möchte das Unternehmertum in den neuen Bundesländern voranbringen.
Mit Unternehmer Radio sprach er über seine Erfahrungen in einem Familienunternehmen aufzuwachsen und es dann aus eigenem Wunsch heraus zu übernehmen.
Stand schon früh fest, dass Sie das Unternehmen Ihrer Eltern übernehmen oder wie war das?
Es war von Anfang an so, dass meine Eltern nie die Erwartung mir gegenüber geäußert haben, dass ich das Unternehmen übernehmen sollte. Und tatsächlich hatte ich am Anfang gar nicht das Ziel, das Unternehmen zu übernehmen. Ich wollte Luft- und Raumfahrttechnik studieren. Das war mein erster Weg auch an der TU Berlin. Dann habe ich relativ schnell festgestellt, dass das der falsche Weg war für mich. Mein Herz schlägt mehr, als ich mir selber zugestehen wollte, für das Familienunternehmen.
So bin ich dann aus eigenem Antrieb in das Unternehmen zurückgegangen und habe dort ein kleines separates Projekt übernommen und bin langsam in das Unternehmen hineingewachsen.
Auch in der Zeit haben meine Eltern nie die Erwartung geäußert, dass ich übernehmen soll. Es ist Stück für Stück einfach aus dem Tun heraus entstanden. Und das kann ich auch nur empfehlen, dass die Erwartungshaltung und der Erwartungsdruck von den Eltern nicht zu groß gemacht werden. Ich glaube, dass so ein Verhalten die Kinder mehr von dem Unternehmen wegtreibt, als darauf zu. Insofern haben wir aus meiner Sicht den richtigen Weg für uns gefunden. Und ja, heute habe ich natürlich die Verantwortung, aber immer mit dem Gefühl, dass ich auch selber die Entscheidung dafür getroffen habe.
Wie haben Sie denn das Unternehmen zu Hause wahrgenommen? In Gesprächen mit anderen Unternehmern ist häufiger das Wort “internes Familienmarketing” gefallen, also, dass die Firma auch in der Familie als etwas Positives wahrgenommen wird. Wie haben Sie das damals empfunden?
Ich war sieben Jahre alt, als das Unternehmen von meinen Eltern gegründet wurde. Das ist jetzt ungefähr 25 Jahre her. Und ich habe es als Kind weder positiv noch negativ wahrgenommen. Es war einfach immer existent. Ich kannte kein Leben ohne das Unternehmen meiner Eltern. Ich habe auch als Kind schon mal Briefe falten geholfen und natürlich auch die Gespräche zwischen meinen Eltern gehört. Es war ein ganz normaler Teil unseres Lebens. Das Unternehmen war und ist auch heute noch die Leidenschaft meiner Eltern; es ist das zweite Kind sozusagen.
Haben Sie es als Konkurrenz empfunden, dass Ihre Eltern so viel Zeit in der Firma verbracht haben?
Ehrlich gesagt, nein. Ich hatte nie das Gefühl, dass meine Eltern nicht für mich da sind in den entscheidenden Momenten. Das hat ja häufig nicht was mit Quantität der Zeit zu tun, die man miteinander verbringt, sondern eher mit der Qualität. Es war alles gut organisiert, ich war versorgt, ich hatte mein Essen, Schule hat auch gut funktioniert. Insofern hatte ich nie das Gefühl, dass meine Eltern nicht für mich da sind und hatte dadurch auch nie dieses Konkurrenzgefühl.
Familieninterne Nachfolge gut gestalten
Wie ist es denn mit der Fehlerkultur im Unternehmen? Dürfen Sie Fehler machen?
Ja, sicherlich. Ich habe Fehler gemacht. Und mache heute auch Fehler.
Damals haben mir meine Eltern ein separates Projekt gegeben, eine Art “Spin off”. Damit konnte ich mich frei entfalten innerhalb des Unternehmens, auch als junger Erwachsener schon. Gemeinsam mit zwei Azubis haben wir ein Projekt aufgezogen, das ich geführt habe. Dieses Unternehmen im Unternehmen existiert heute noch und trägt mit sechsstelligen Umsätzen dazu bei, dass die Tas AG erfolgreich ist.
Früh eine eigene “Spielwiese” zu haben mit viel eigener Verantwortung, wo Fehler direkte wirtschaftliche Konsequenzen haben, das war besser als in den vorhandenen Strukturen immer “der Neue” zu sein. Im Nachhinein ist es für mich ein absolut empfehlenswerter Weg, wie man Nachfolge gut gestalten kann.
Die Tas AG hatte bei der Übernahme 350 Mitarbeiter, wie viele sind es jetzt?
Zurzeit sind es 450 Mitarbeiter genau. Nachfolge klappt häufig besser, wenn die Unternehmung auch einen Tick größer ist, und dementsprechend viele Strukturen vorhanden sind.
Es macht den Eindruck, als wenn vieles fließend gelaufen ist in der familieninternen Nachfolge. Was war denn für Sie die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht tatsächlich das Thema Führungsstil. Meine Eltern führen anders als ich. Und diesen Führungsstil neu zu etablieren und auch die Mitarbeiter dabei mitzunehmen, das war sowohl im Unternehmen als auch im Verhältnis zu meinen Eltern die größte Herausforderung.
Denn auch die rationalen Themen wie “Anteile” und “Überschreibung” sind mit Emotionen besetzt, und das auf beiden Seiten. Wichtig ist es, dass beide Seiten ein Verständnis für die Perspektive des Gegenübers haben. Das war die größte Herausforderung aus meiner Sicht, und sie war wie alle anderen Herausforderungen bei uns auch lösbar. Denn für uns war immer klar, dass die emotionale Beziehung in der Familie über den rationalen Dingen und dem Unternehmen steht.
Aber in der Übergabezeit gab es natürlich Diskussionen und die gingen oft nicht nur einen Abend lang, sondern auch mal über mehrere Wochen. Doch wenn man sich sicher ist, dass die Beziehung das Wichtigste ist, finden sich für die rationalen Themen immer Lösungen. Am Ende gehen alle einen Kompromiss ein und sind trotzdem glücklich mit der Entscheidung. Und das ist das Wichtigste.
Wie ist es denn bei Anlässen wie Weihnachten oder Geburtstage? Schaffen Sie es dann, nicht über die Firma zu sprechen?
Ich stelle mal die Gegenfrage: “Warum soll ich mich zwingen, nicht über die Firma zu reden?” Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Wenn es ein Bedürfnis gibt über die Firma zu sprechen, dann tun wir das, und sonst nicht. Die Firma aus der Familie rauszuhalten in einem Familienunternehmen ist wirklich schwierig, weil sie ein Teil der Familie ist.
Generationswechsel heißt ja auch, dass ganz andere Ideen in das Unternehmen einfließen. Dazu zwei Fragen: Was hat sich verändert, vielleicht auch in Bezug auf die Digitalisierung? Und wie haben die Mitarbeiter auf diese Veränderungen reagiert?
Bei Veränderungsprozessen finde ich wichtig, dass man mit einem gewissen Respekt als Nachfolger daran geht. Viele Mitarbeiter sind länger im Unternehmen als man selbst, da stelle ich mich nicht hin und vermittle den Eindruck, alles zu wissen. Gleichzeitig möchte ich Veränderungsprozesse antreiben und die Mitarbeiter mitnehmen.
Die Digitalisierung bewegt uns natürlich sehr. Wir sind von unserem Geschäftsmodell her nah am Thema, aber auch wir haben in den Unternehmensprozessen immer wieder Optimierungsbedarf. Wenn wir aber in der Analyse feststellen, dass der Prozess, wie er installiert wurde, immer noch gut läuft, lassen wir ihn auch bestehen. Das ist für mich die große Herausforderung: Gut abzuwägen zwischen Veränderungswillen und der Notwendigkeit zu verändern und dabei anzuerkennen, was schon da ist.
Es muss nicht alles, was vor 15 Jahren geschaffen wurde, heute modernisiert werden. Sonst zerstört man vorhandene und auch informelle Strukturen.
Dadurch, dass ich mit dem separaten Projekt begonnen hatte, war ich früh in die Prozesse integriert. Da konnten die Mitarbeiter nachvollziehen was ich mache, welche Entscheidungen die Familie trifft usw. Gerade am Anfang habe ich auch die Mitarbeiter gefragt, was sie von der Lösung halten. Und das ist glaube ich auch für jeden Nachfolger wichtig, dass man die Mitarbeiter mitnimmt und daraus dann auch einen neuen Führungsstil entwickelt. Der Respekt entsteht dann automatisch, wenn die Leistung da ist und die Erfolge kommen.
Das ist auch mein Appell an die Nachfolger: Habt ausreichend Respekt vor denjenigen, die seit vielen Jahren in dem Unternehmen arbeiten. Nehmt sie mit und macht sie zu euren Freunden. Dann funktioniert die Übergabe, auch in der vorhandenen Struktur, erheblich leichter.
Entwicklung des Unternehmertums im Osten Deutschlands
Sie sind jetzt ja bei den Jungen Unternehmern aktiv. Wie wichtig ist da das Thema Gründung und Nachfolge?
Gerade bei den Familienunternehmen ist das, glaube ich, schon ein Thema. Wir haben, und das ist auch mal wichtig, glaube ich, auch noch mal zwei Bereiche, die man in Deutschland auch aus meiner Sicht sehen sollte. Es gibt natürlich die alten Bundesländer, wo eine Nachfolge natürlich auch schon geübt ist in mehreren Generationen. Wir haben jetzt in dem östlichen Teil Deutschlands tatsächlich das erste Mal so die Situation, dass diejenigen, die nach der Wende Unternehmen gegründet haben, jetzt so langsam in diese erste Nachfolgegeneration rutschen und da schon Fragen entstehen. Ich frage auch die jungen Unternehmer bewusst nach dem Thema und den Herausforderungen.
Es ist schon unter den jungen Unternehmern ein Thema, weil es eben gerade sowohl in unserem Teil des Landes und dann eben auch diese Generation gerade so im Wechsel ist. Diejenigen, die mit 30, 40 eben nach der Wende gegründet haben, die sind jetzt um die 60 und denken über die Nachfolge nach.
Unternehmenswachstum
Ja, ich bin immer noch ein bisschen geistig bei diesem Punkt. Die AG ist jetzt ja durchaus so für die neuen Bundesländer schon mal deshalb untypisch, weil sie so groß sind. Die Unternehmen in den neuen Bundesländern sind häufig kleinteilig. Wir haben, glaube ich, zu 90 % so bis zehn Mitarbeiter. Und es wird ganz häufig so auf diesen vielleicht auch so ein bisschen weniger Wachstums Wille zurückgeführt, weil dann gesagt wird, ja, so nach der Wende, da hatten wir auch viele Unternehmer oder viele Gründer, die so ein bisschen mehr aus der Not heraus gegründet haben. Sehen Sie da vielleicht noch eine andere Ursache dafür, dass wir so viele kleine Unternehmen haben?
Also ich sehe es so, dass die Situation so ist. Das ist, glaube ich, auch noch ein Thema, was definitiv unsere Region die nächsten Jahre beschäftigen sollte und auch beschäftigen wird. Ich sehe die Ursache natürlich auch in der Sache an sich, wenn ein Unternehmen erst wirklich ernsthaft vor 25 Jahren gegründet werden könnte. Klar gibt es dann Möglichkeiten in den 25 Jahren auch in die Größe zu wachsen, in der wir auch gewachsen sind. Nun ist aber die Mitarbeiterzahl bei uns natürlich auch insofern dadurch geprägt, als unsere Branche sehr, sehr personalintensiv ist. Aber nichtsdestotrotz ist es, glaube ich, natürlich auch das auch der Fall, dass hier in unserer Region auch weniger Zeit war, um wirklich groß zu werden. Es gibt in den alten Bundesländern natürlich auch einen erheblich längeren Zeitraum, wo es möglich war, Unternehmen schon mal aufzubauen oder auch fortzuführen. Auch das darf man ja nicht vergessen, dass dann auch viele Unternehmen hier in der Region nach dem Zweiten Weltkrieg gar nicht mehr fortgeführt werden, weil von diesen, von diesen Prozessen haben natürlich auch die westlichen Regionen profitiert und mit den entsprechenden Ergebnissen heute. Daran muss sich sicherlich noch was ändern. Ich glaube nicht, dass es eine Frage des Wollens ist. Ich kann nur von uns auch sprechen. Wir haben dazu ja 95 %. Wenn ich jetzt mal Berlin mit mir ein rechne, unsere Kunden auch in den alten Ländern und in Berlin. Das heißt, der Wille muss natürlich auch da sein, dort auch Vertrieb, Arbeit zu machen und dort natürlich auch Kunden zu suchen. Und meine Eltern haben das auch von Anfang an getan. E war schon immer so, dass wir unsere Kunden nicht hier in der Region gefunden haben, sondern immer außerhalb unserer Region. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum es vielleicht den einen oder anderen Mitarbeiter mehr haben. Weil wir natürlich dort auch den Kontakt zu den Unternehmen aus den östlichen Bundesländern dann auch von Anfang an gesucht haben und darauf unser Geschäftsmodell aufgebaut haben.
Dieser zeitliche Aspekt ist wirklich ganz bedeutend. Wir haben jetzt diese große Welle an Unternehmern, die damals gegründet haben, die jetzt den Nachfolger suchen. Und wir hatten eben auch wirklich nur die 25 Jahre, 30 Jahre Zeit, die Unternehmen aufzubauen. Und wir haben in den neuen Bundesländern gerade eben auch nicht diese Nachfolgestruktur drumherum. Da sind wir noch eher in einer Startphase für das Thema Nachfolge.
Ja, also das sehe ich genauso. Und wie gesagt, die Aufgabe ist es jetzt, diese zu meistern, weil das ist natürlich auch die Grundlage für die Weiterentwicklung der Region hier, dass man dann eben auch sagt, okay, man kann jetzt auf die Nachfolger aufbauen, die sind jetzt 30 und dann hat man die nächsten 40 Jahre Zeit, auch die nächste Entwicklungsstufe auch für die Region so zu erreichen.
Weil wenn jetzt die Unternehmen natürlich auch aufgekauft werden von Unternehmen, die aus anderen Regionen kommen, dann verliert sich natürlich auch der Mittelstand Effekt hier in der Region ein bisschen und das ist eigentlich sehr schade. Deswegen bin ich da auch klar dafür, dass wir auch eine Nachfolge entweder innerhalb der Familie oder zumindest durch die Weitergabe des Unternehmens, weil sonst wirklich die Mittelstandstruktur auch hier in der Region in Gefahr wäre. Und das ist, glaube ich, eher nicht positiv für die Region zu beurteilen.
Im letzten Jahr gab es noch dieses ostdeutsche Wirtschaftsforum in Bad Saarow und da waren es halt auch genau die Themen. Und eben auch dieser einen wichtigen Punkt, dass nach der Wende damals wirklich in den neuen Bundesländern ganz breitflächig im Prinzip die Unternehmen eigentlich nur gegründet wurden, so als verlängerte Werkbank von den Zentral. Und es führt eben auch dazu, dass sich dann natürlich ein niedrigeres Lohnniveau, was diese hatten, was auch das Verkaufsargument war, eben auch verfestigt. Und dadurch kann man halt in den alten Bundesländern besser verdienen und dadurch gehen dann viele Jugendliche dann dahin und dadurch fehlen jetzt halt hier auch wieder die Fachkräfte und die Nachfolger. Das ist ja so ein Treibhauseffekt und sehe ich halt auch so wie wir müssen unbedingt es schaffen irgendwie den Mittelstand hier zu stärken, weil der eben auch für diese ja ganz wichtig ist für den sozialen Frieden. Und wir haben jetzt gerade wieder die Diskussion um die Gehälter der vom VW Vorstand. Und was so ein bisschen ja anzeigt wie bei Konzernen, wie weit die eigentlich so von der Basis entfernt sind.
Ich will es nicht zu plakativ machen, aber der Mittelstand könnte die einzige Chance auch sein für die Region wirklich dann denn den Schulterschluss zu finden mit anderen Regionen. Natürlich sind Regionen wie Leipzig und Dresden auch so von der Städtestrukturen mittlerweile so attraktiv. Aber es ist auch hier bei uns einfach so, dass natürlich BMW und Porsche und Amazon und wie sie alle heißen, natürlich hier investieren und hier dementsprechend natürlich auch Arbeit, Arbeitnehmer auch suchen und nicht nur Niedrigqualifizierte, sondern auch wirklich einen Querschnitt. Aber ich glaube, den richtigen Schwung bekommen wir, wenn man wirklich den Mittelstand weiter wächst, wenn wirklich die Firmenzentrale hier in der Region größer werden. Und ich merke es ja auch an uns und mittlerweile können wir auch gerade im Verkehrsbereich auch Mitarbeiter begeistern, aus einem Weltkonzern wirklich zu uns zu wechseln. Erstens Wohnqualität hier unabhängig jetzt auch von der Preis-Leistung des Wohnens. Das ist das eine, aber auch das ganze Thema Kultur, auch Mentalität hier, die sicherlich auch Wirtschaft wird manchmal hier in der Region auch noch mal ein bisschen persönlicher und menschlicher betrieben, als es vielleicht in den alten Ländern der Fall ist. Also es gibt ganz viele Faktoren, die eigentlich auch für die Region sprechen. Das muss natürlich auch das Potenzial da sein, solche Mitarbeiter zu bezahlen, die natürlich auch mit Gehaltsvorstellungen kommen, die eben in Düsseldorf, München, Köln und weiter üblich auch sind. Und das, das ist eigentlich dann die große Herausforderung, diese Lücke auch zu schließen und aber ich denke in den nächsten zehn, 20 Jahren können wir dann mit einer guten Nachfolge sozusagen dann auch noch einiges erreichen.