Fachkräftemangel: Ursachen & Folgen

Fachkräftemangel - Unternehmer Radio
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Schenkt man der Statistik und den Aussagen der Arbeitsmarktexperten Glauben, steht die deutsche Wirtschaft vor schwierigen Zeiten. Nahezu in allen Branchen fehlt es an qualifizierten Mitarbeitern und Experten. Nur wenn Unternehmer mehr Anreize bieten und die Politik an wichtigen Stellschrauben dreht, kann der drohende Super-GAU am Arbeitsmarkt verhindert werden.

„Fakt ist: Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus.“ So dramatisch dieser Satz des Chefs der Bundesagentur für Arbeit (BA) Detlef Scheele auch klingen mag, so spiegelt er die Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt zutreffend wider. Die Zahl der potenziellen Fachleute, so Scheele, nehme bereits in 2022 durch die demografische Entwicklung weiter um 150.000 Arbeitnehmer ab. Diese Situation werde sich in nächsten Jahren noch weiter zuspitzen, betont der BA-Vorstandsboss. Die Bundesanstalt für Arbeit analysiert halbjährlich, in welchen Bereichen und in welchem Umfang Engpässe bei der Beschaffung von Fachkräften bestehen.

In der Tat sehen sich deutsche Unternehmen mit einer gewaltigen Herausforderung konfrontiert. Immer häufiger beschäftigen sie sich notgedrungen mit der fortschreitenden Überalterung der Bevölkerung und der damit verbundenen rückläufigen Zahl an Erwerbstätigen. Schon heute steht fest: Die demografische Entwicklung wird den flächendeckenden Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt weiter befeuern und als Dauerthema erhalten bleiben. Diese Entwicklung wird auch einen enormen Einfluss auf die Unternehmensnachfolge haben.

Der Arbeitskräftemangel ist in Deutschland inzwischen chronisch omnipräsent und zur ungeliebten Realität geworden. Der Fachkräftemangel ist systembedingt und hausgemacht. Nach Erhebungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) betrug die Zahl der gesuchten Fachkräfte Ende 2021 durchschnittlich 350.000, mit ansteigender Tendenz. Gegenüber 2020 bedeutet dies einen Zuwachs um 37 %.

Die dramatische Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden durch die Expertisen und Studien anderer Institutionen bestätigt und untermauert. Der Report „Fachkräftemangel 2021“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) etwa dokumentiert, dass jedes zweite Unternehmen schon jetzt nicht mehr in der Lage ist, den Fachkräfteengpass zeitweilig zu beheben. Die größten Defizite werden derzeit in der Bauwirtschaft beobachtet.

Laut einer Studie des Analyse- und Beratungsunternehmens Prognose im Auftrag von Bayern und Baden-Württemberg könnte sich der Fachkräfteengpass künftig noch deutlich verschärfen. Danach werden dem deutschen Arbeitsmarkt bereits 2025 rund 2,9 Millionen Fachkräfte fehlen.

Die eigentliche Krux besteht darin, dass die Lücke beruflich qualifizierter Arbeitskräfte mit Fortschreiten der Zeit immer größer zu werden droht, während die Zahl der Hochschulabsolventen in Deutschland weiter kräftig steigt. Im Jahr 2025, so die Prognosestudie, werden über eine halbe Million mehr Akademiker als heute dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. In einigen Fachrichtungen könnte damit ein Überschuss entstehen, der sich auf die Arbeitsplatzsituation in den betreffenden Disziplinen nachteilig auszuwirken dürfte.

Ein Report des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) belegt, dass es im März 2022 nahezu 560.000 offene Stellen auf dem deutschen Facharbeitsmarkt gab. Trotz der Folgen von Corona und den Auswirkungen des Ukraine-Krieges erhöhte sich diese Zahl seit dem Jahreswechsel um rund 90.000 vakante Stellen. Das KOFA analysiert nach eigenen Angaben Fachkräfteengpässe auf der Basis von Arbeitsmarktdaten der Bundesanstalt für Arbeit und anderer Einrichtungen.

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Die KOFA-Studie legt offen: Der steigende Fachkräftemangel in Deutschland betrifft den gesamten Arbeitsmarkt, allerdings je nach Wirtschaftszweig unterschiedlich heftig. In den Branchen Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung blieben wegen des Arbeitskräftemangels rund 60 % der offenen Stellen unbesetzt. Doch auch in anderen Branchen wie beispielsweise Bau, Architektur, Geografie, Informatik und Energietechnik registrierte das KOFA eine starke Zunahme der offenen Positionen.

Das IW bemängelt, dass es seitens der Politik keinen konzeptionellen Masterplan gibt, um gegen diese Misere und ihre Auswirkungen anzugehen. Denn die Folgen des Fachkräftemangels für die Wirtschaft sind schon jetzt absehbar und spürbar. Die Negativentwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird kontinuierlich weiter voranschreiten. Für die Unternehmen wird die Suche nach einer Fachkraft in den Regionen immer schwieriger. Es ist eine Herausforderung, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden und somit dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken. So ist besonders die wettbewerbsfähigkeit in vom KMU aufgrund von Fachkräfteengpässen in Gefahr.

Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2021 prognostiziert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), dass es 2040 vermutlich lediglich 23,9 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter mit einem Berufsabschluss geben wird. Sogar bei der optimistischen Annahme einer hohen Zuwanderungsquote ausländischer Arbeitskräfte werde damit die Zahl qualifizierter Beschäftigter von derzeit 31,6 Millionen um insgesamt etwa ein Viertel absinken.

Fachkräftemangel – was versteht man darunter?

Von einem Mangel an Fachkräften ist auszugehen, wenn der Bedarf an qualifiziertem Personal über einen längeren Zeitraum nicht gedeckt werden kann. Oder anders ausgedrückt, die Nachfrage nach spezialisierten Arbeitskräften überwiegt das Angebot an verfügbaren Mitarbeitern.

Im Rahmen der KOFA-Studie räumten drei von vier teilnehmenden Unternehmen ein, dass ihr Unternehmen in puncto Fachpersonal nicht gut aufgestellt sei. Den Unternehmen falle es zunehmend schwerer, sowohl geeignetes Personal zu finden als auch dauerhaft zu binden.

Im Rahmen einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Civey im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung räumten zwei Drittel der befragten Unternehmensentscheider ein, dass akute Fachkräfteengpässe in ihren Betrieben bestünden. Zum Vergleich: Bei einer Umfrage Ende 2020 ging lediglich die Hälfte von ihnen von Problemen bei der Besetzung der Fachkräftestellen aus.

Eine Studie des Personaldienstleisters und Rekruitierungsunternehmens Hays zum Fachkräftemangel in Deutschland ergab: Bereits 2019 äußerten sich die befragten Top-Manager zum Mangel an Fachkräften weitaus überwiegend kritisch als Herausforderung für die Wirtschaft. Für 7 von 10 Führungskräften handelte es sich dabei nicht um ein konjunkturelles, sondern um ein strukturelles Problem. Nahezu drei von vier Teilnehmer an der Studie räumten ein, dass ihr Unternehmen bei der Bekämpfung des Fachkräftebedarf nicht gut aufgestellt ist.

Brennpunkt: Demografischer Wandel

Analysen zeigen, dass deutsche Unternehmen vor einer gewaltigen Herausforderung stehen. Immer häufiger werden sie mit der fortschreitenden Überalterung der Bevölkerung und der damit verbundenen rückläufigen Zahl an Erwerbstätigen konfrontiert. Schon heute steht fest: Die demografische Entwicklung wird den Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt weiter befeuern und damit ein Dauerthema bleiben. Er ist eine der Ursachen für den Mangel und die Knappheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Bereits lange vor dem nun immer deutlicher werdenden Fachkräftemangel warnten Ökonomen eindringlich vor einer Fehlentwicklung auf dem Fachkräfte-Arbeitsmarkt durch Überalterung. Dabei hatten sie insbesondere auf die demografische Entwicklung durch die niedrige Geburtenrate in der Bevölkerung hingewiesen.

Grafisch zeichnet sich nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) schon seit Langem in der Alterspyramide strukturell ab 2025 eine beginnende Überalterung der Gesellschaft ab. Mit Erreichen dieser Jahreszahl werden die meisten Deutschen das Rentenalter erreichen oder bereits erreicht haben.

Ende August titelte der Spiegel mit der Schlagzeile „Deutschland wird zur Rentnerrepublik“. Zuvor hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass aktuell in Deutschland so wenig 15 bis 24-Jährige leben wie noch nie. Obwohl die Gesamtbevölkerungszahl mit 83,2 Millionen Menschen auf einem neuen Höchststand angelangt sei, gehörten lediglich 8,3 Millionen bzw. 10 % der deutschen Bürger dieser Altersgruppe an. Die Feststellungen des Statistischen Bundesamtes spiegeln die gesamte Tragweite der demografischen Gesamtentwicklung der deutschen Bevölkerung für den Arbeitsmarkt wider. Und dennoch verdeutlichen sie nur die Spitze des Eisbergs und stellen somit lediglich einen Teilaspekt des Fachkräfte-Problems dar.

Das IW bemängelt, dass seitens der Politik kein konzeptioneller Masterplan existiert, um effizient gegen diese Misere und ihre Auswirkungen anzugehen. Denn die Folgen für die Wirtschaft sind schon jetzt absehbar. Die Negativentwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird kontinuierlich weiter voranschreiten. Für die Unternehmen wird es zunehmen schwieriger, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Im Rahmen eines Reports aus dem Jahr 2021 prognostiziert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), dass es 2040 vermutlich lediglich 23,9 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter mit einem Berufsabschluss geben wird. Sogar bei der optimistischen Annahme einer hohen Zuwanderungsquote ausländischer Arbeitskräfte werde die Zahl qualifizierter Beschäftigter von derzeit 31,6 Millionen um insgesamt etwa einen Viertel absinken.

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Fokus: MINT-Fachkräftelücke

In den sogenannten MINT-Berufen vergrößerte sich die Lücke zwischen fehlenden und vorhandenen Facharbeitskräften mit 320.600 Stellen auf ein Rekordhoch. Zu den MINT-Berufen gehören die Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Insgesamt gibt es 36 MINT-Berufskategorien.

Nach Angaben des IW standen einer halben Million unbesetzter Stellen im April 2022 rund 180.054 Arbeitssuchende mit einer MINT-Berufsausbildung oder einem MINT-Studium gegenüber. Ohne die signifikante Zuwanderung in den entsprechenden Tätigkeitsfeldern läge die Lücke sogar bei rund 600.000 Stellen, so das IW. Die größten Lücken bestanden in den MINT-Bereichen Energie/Elektro mit 82.500 und in der IT mit 60.600, gefolgt von Bauberufen und Jobs in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik.

Für die kommende Jahre rechnet das IW, insbesondere aufgrund der Restrukturierung in der Energiewirtschaft sowie den Fortentwicklungen bei der Digitalisierung und der Elektromobilität mit einem stetig wachsenden Bedarf an MINT-Fachkräften. Verschärfend zu dem Fachkräftemangel komme hinzu, dass es immer weniger akademischen MINT-Nachwuchs gäbe. In den Fachbereichen Ingenieurwissenschaften und Informatik sei die Zahl der Erstsemester seit 2016/2017 um nahezu 15 %, in den Studienfächern Mathematik und Naturwissenschaften um 9 % gesunken.

Demgegenüber befindet sich die Nachfrage der Unternehmen nach qualifiziertem Personal ungebrochen auf hohem Niveau. Jedes zweite Unternehmen etwa rechnet mit einer wachsenden Nachfrage an Ingenieuren. Ein Drittel geht davon aus, dass allein der Bedarf an IT-Experten aufgrund der Evaluationen bei klimafreundlichen und energieeinsparenden Produkten und Technologien in den kommenden 5 Jahren steigen wird. Bereits seit Ende 2012 bis zum Herbst 2021 verdoppelte sich die Nachfrage nach IT-Spezialisten, während sie in anderen MINT-Berufen lediglich um 40 % zunahm.

Der Fachkräftemangel und seine Folgen

In der Hays-Studie zum Fachkräftemangel berichtete die Mehrzahl der befragten Führungskräfte, dass Stellen in ihren Fachbereichen nur unzureichend besetzt oder für längere Zeit unbesetzt waren. Werde eine Stelle für längere Zeit nicht oder nicht optimal besetzt, führe das zu einer Mehrbelastung der übrigen Mitarbeiter. Spürbar würde dies durch nicht generierte Umsätze. Auch die Innovationsfähigkeit des Unternehmens werde durch den Fachkräftemangel beeinträchtigt. Die wichtigsten Handlungsfelder, um die Folgen des Fachkräfteengpasses abzumildern, seien ihrer aus ihrer Sicht:

  • die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität
  • neue Wege bei der Rekrutierung und Nachwuchsförderung
  • eine strategische Planung des Personalbedarfs sowie
  • die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter

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Fazit: Wie kann dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden?

Die Rekruitierung und Sicherung von Fachkräften wird auf absehbare Zeit eine der großen Herausforderungen und Aufgaben für die Unternehmen bleiben. In diesem Punkt sind sich die Arbeitsmarktexperten einig. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bedarf es als besondere Anreize sowohl attraktiverer Bedingungen am Arbeitsplatz als auch einer verbesserten Lebensqualität für die Beschäftigten etwa durch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Dazu sind Politik und Arbeitgeber gleichermaßen gefordert. Als wichtige Stellschrauben, die es zugunsten einer verbesserten Fachkräftesituation zu verändern gilt, werden im Wesentlichen folgende Punkte genannt:

  • Die verbreiteten tradierten Ansätze in der Personalpraxis der Unternehmen gehören auf den Prüfstand, um modernisiert und neu justiert zu werden.
  • Mit weitreichenden Reformen wird die Aus- und Weiterbildungspraxis in Deutschland an die tatsächlichen Anforderungen in der Wirtschaft angepasst.
  • An den Bildungseinrichtungen wird die Digitalisierung intensiviert und zur Standardausstattung erhoben, damit die Lernziele optimal erreicht und im späteren Erwerbsleben nutzbar sind.
  • Menschen jenseits der Altersgrenze sind verstärkt als Arbeitskräfte zu reaktivieren.
  • Speziell für Frauen stehen mehr Arbeitsplätze zur Verfügung, die durch eine ausgewogene Work-Life-Balance die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.
  • Eine offensivere Zuwanderungspolitik erleichtert die unbürokratische Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Dazu bedarf es einer nachhaltigen Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.

Wichtige Fachbegriffe zum Fachkräftemangel

Fachkräftelücke (FKL)*: Die Fachkräftelücke ist die Anzahl der offenen Stellen, für die es in einer Region keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt. Die Fachkräftelücke errechnet sich aus der Zahl der unbesetzten Stellen im Verhältnis zur Arbeitslosenquote.

Stellenüberhangsquote (SUQ)*: Wird die Fachkräftelücke in Relation zu den offenen Stellen angegeben, ergibt sich daraus die Stellenüberhangsquote. Die Stellenüberhangsquote beschreibt den Anteil an offenen Stellen, die nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden können. Sie gilt als Indikator für die Intensität des Fachkräftemangels.

Engpassrelation (EPR)*: Die Engpassrelation (EPR) gibt die Zahl der passend qualifizierten Arbeitslosen je 100 offene Stellen wieder. Liegt die EPR unter 100, handelt es sich um einen Engpassberuf.

Fachkräftesicherung: Geeignete Maßnahmen zum Erhalt und Sicherung von Arbeitsplätzen für Fachkräfte, um Fachkräfteengpässe zu verhindern.

*Quelle: Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA)

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