Robert Thiel lebt mit seiner Familie in Kanada. 1982 hat er gemeinsam mit seinem Bruder “AV-Thiel” gegründet, eine Verleihfirma für AV-Equipment, die sie gemeinsam bis 1999 geführt haben. Nach dem Verkauf der Firma, die zu dem Zeitpunkt einen Umsatz von rund 100 Millionen kanadischen Dollar gemacht hat, arbeitete Robert Thiel noch sechs Jahre als CEO dort weiter. Heute verbringt er seine Zeit vor allem auf der Farm mit seiner Familie.
Der Werdegang des Unternehmens und die Entscheidung zu verkaufen
Willkommen, Robert. Beschreib´ unseren Hörern doch ein wenig den Werdegang des Unternehmens.
Wir haben 1982 eine Firma gegründet, die hieß “Tele- & Visual-Services”, und haben AV-Technik und Simultandolmetscher-Anlagen vermietet. In den zwanzig folgenden Jahren waren wir damit ziemlich erfolgreich und wurden in der Branche die größte Firma in Kanada. Dann kam ein Zeitpunkt, wo wir uns überlegt haben: Was machen wir als Nächstes? Mein Bruder hatte drei Kinder, ich hatte zwei Kinder.
Gab einen bestimmten Anlass, der diese Frage hat aufkommen lassen?
Unser Geschäft war sehr technisch und brauchte jedes Jahr sehr viele Investitionen, weil sich die Technologie schnell weiterentwickelte. Gleichzeitig wurde die Branche mit den Jahren kommerzieller und es war viel leichter für die Konkurrenz in das Gebiet einzusteigen. Deshalb haben wir uns überlegt, ob wir die Firma in dritter Generation weiterführen wollen. Das war eine sehr große Überlegung. Unsere Kinder waren noch Teenager und wir haben festgestellt, dass wir fast 70 sein würden bis eines unserer Kinder bereit ist, die Firma zu übernehmen. Doch wir wollten nicht so lange weiterarbeiten. Mein Bruder, der wollte immer ein Weingut gründen und ich wollte auch andere Sachen unternehmen; so haben wir uns entschieden zu verkaufen.
Wie lange habt ihr das Unternehmen geführt, bevor ihr diese Entscheidung getroffen habt?
Wir haben 1982 die Firma gegründet und haben uns 1999 entschieden, die Firma zwar noch nicht zu 100 % zu verkaufen, aber einen Private Equity Partner hinzuzunehmen und einen Teil der Firma zu verkaufen. In Kanada hatten wir zu dem Zeitpunkt 22 Niederlassungen, fast in jeder kanadischen Großstadt und wir wollten probieren, das gleiche Netzwerk in den Staaten aufzubauen. Wir wollten das aber nicht allein angehen und deshalb haben wir uns einen Private Equity Partner ausgesucht.
Ihr standet also an einer Art Scheideweg.
Ja, und zu dem Zeitpunkt waren wir noch ziemlich jung. Ich war damals 45 Jahre alt und wollte noch nicht aufhören zu arbeiten. Aber ich wollte etwas Absicherung, denn wir hatten bis zu dem Zeitpunkt alles in unsere Firma reinvestiert. Wir haben uns dann einen Teil von der Firma ausgezahlt.
Wie groß war das Unternehmen vor dem Verkauf?
Als wir mit der Private Equity Firma angefangen haben, hatten wir ungefähr 100 Millionen Kanadische Dollar Jahresumsatz und an die 750 Mitarbeiter.
Dauer und Hindernisse des Übergabeprozesses
Was war für Dich der schwierigste Teil in diesem Übergabeprozess?
Beim ersten Versuch, die Firma zu verkaufen hat die Verhandlung sehr lange gedauert, fast ein Jahr. Während dieser Zeit haben wir nicht unsere Firma weitergeführt als Unternehmer. Wir waren gedanklich schon im “Verkaufsmodus”. Jedoch ist dieser Verkauf durchgefallen und wir haben an sich ein Jahr verloren in unserer Firmenentwicklung. Danach haben wir uns gesagt: Das passiert uns nicht wieder. Wir werden jetzt unsere Firma weiterführen und bis sie verkauft ist, werden wir diese Firma vergrößern. Und in der nächsten Runde, wo wir mit der Private Equity Firma einen Deal gemacht haben, ist es genauso gekommen: Während der Verhandlungen haben wir eine andere Firma gekauft, die einen Umsatz von ungefähr 10 Millionen Dollar hatte. Doch wir haben mit dem Partner nicht darüber geredet, weil ja beschlossen hatten, die Firma weiterzuführen, bis der Verkaufsprozess abgeschlossen ist.
Wie lange hat denn der Verkaufsprozess als Ganzes gedauert? Von der Entscheidung bis zum Closing?
Fast zwei Jahre waren das. Und ich muss dazu sagen, dass der ganze Prozess bis zu fünf Jahren dauern kann, weil der Käufer meistens möchte, dass das Management bleibt für mehrere Jahre. Ich habe nachher noch sechs Jahren als CEO bei dieser Firma gearbeitet.
Wann habt ihr eure Entscheidung intern kommuniziert und auch an die Lieferanten?
Nur drei oder vier der Angestellten wussten, dass wir in Verhandlungen waren. Wir haben nichts kommuniziert, bis wir die Firma verkauft hatten. “Signed, sealed, delivered.”, dann haben wir es allen gesagt.
Wie war denn die Übergabe aus emotionaler Sicht für Dich?
Emotional war das für mich nicht schwer. Für mich war am wichtigsten, dass meine Mitarbeiter ihren Job behalten, mit denen ich teilweise 20 oder 30 Jahre gearbeitet habe und die uns geholfen haben, mit unserer Firma 100 Millionen Dollar Umsatz zu erzielen.
Nach unserer Zusammenarbeit mit unserem Private Equity Partner haben wir dann probiert, die zweitgrößte AV-Vermietungsfirma in den Staaten zu kaufen. Diese Firma hat dann gesagt: “Wir sind nicht zu kaufen, aber wir würden gern eure Firma kaufen.” Die haben schließlich die Aktien von unserem Private Equity Partner gekauft und dann hatten wir einen neuen Partner. Und das war viel, viel besser für unsere Mitarbeiter und unsere Firma, weil wir damit nicht nur einen finanziellen Partner, sondern auch einen strategischen Partner hatten. Wir waren dann eine Firma mit ungefähr 250 Millionen US-Dollar Umsatz und das war sehr gut für meinen Bruder und mich, denn damit war klar, dass unsere Angestellten wirklich eine Zukunft hatten.
Die Firma war mit 750 Mitarbeitern ja ziemlich groß. Wir haben gerade in den neuen Bundesländern ganz viele Unternehmen, die haben eher so zehn bis zwanzig Mitarbeiter. Mich interessiert aus deiner Sicht: Wäre eine Firma in dieser Größenordnung grundsätzlich ein interessantes Kaufobjekt?
Wenn sie in derselben Branche ist, dann ja. Das haben wir mehrmals gemacht. Wir haben in den 20 Jahren fünf andere Firmen gekauft.
Worauf habt ihr dabei besonders geachtet?
Wir haben immer auf Qualität des Inventars geachtet, da wir ja Vermietungen gemacht haben. Gleichzeitig war es für uns wichtig, unser Netzwerk auszubauen. Da waren passende Firmen in bestimmten Städten und wir haben uns gesagt: “Es viel leichter, die Firma zu kaufen, als neu anzufangen in dieser Stadt.” Damit haben wir zwei Sachen erreicht: Wir hatten einen Konkurrenten weniger und waren viel schneller im Markt und wir hatten schon einen guten Kundenstamm in dieser Stadt.
Synergieeffekte durch den Kauf anderer Unternehmen
Also könnte es für die kleineren Unternehmen eine ganz gute Überlegung sein, eben nicht nach der einzelnen Person als Nachfolger zu suchen, sondern tatsächlich nach einer anderen Unternehmung, die einen praktisch in das eigene Netzwerk integrieren könnte?
Ja, hier in Amerika wird das öfters gemacht. Wir nennen das “Roll Up”: Man legt mehrere kleine Firmen zusammen und hat dann eine große Niederlassung. Durch das größere Netzwerk ist das auch viel effizienter.
Wie hat sich dein Leben denn nach dem Verkauf der Firma verändert?
Man hat viel mehr Freizeit. Man muss nicht so weit im Voraus planen und kann spontane Entscheidungen treffen. Als Unternehmer, als Chef ist man immer sehr strategisch und plant immer zwei, drei oder sogar 5 Jahre im Voraus. Das fällt dann weg und es bleibt mehr Zeit für anderes.
Wir hatten zum Beispiel eine Familien-Farm und ich hatte nie genug Zeit dafür. Und jetzt verbringe ich die meiste Zeit auf meiner Farm.
Ich habe gehört, du züchtest auch Schafe?
Ja, ich züchte Schafe. Wir haben ungefähr 300 Stück und auch sechs Haflinger Pferde. Das ist, was ich jetzt gerne mache.
Wie geht es dem Geschäft heute? Hörst du noch manchmal was von den Leuten?
Es ist heute etwas anders, als zu unserer Zeit. Die Firma ist jetzt Teil einer noch größeren Firma, die ungefähr zwei Milliarden US-Dollar Umsatz macht pro Jahr. Für viele Leute ist es nun nicht mehr eine inhabergeführte Firma, da sie nicht mehr im direkten Kontakt mit dem Inhaber stehen.
Welchen Rat gibst du Unternehmern geben, die ebenfalls verkaufen möchten?
Erstens: Es kommt darauf an, wie groß die Firma ist, aber wenn sie eine bestimmte Größe hat, würde ich einen Investmentbanker engagieren. Das haben wir nicht gemacht und ich glaube, wir haben unter dem verkauft, was preislich möglich war.
Außerdem hat er vielleicht auch eine bessere Idee, wie man die Verhandlung führen sollte, um den Kaufpreis zu maximieren und hat Kontakte, wie Juristen oder Steuerberater, die das auch nicht das erste Mal machen.
Zweitens: Man muss sich Zeit lassen, dieser Prozess dauert. Das geht nicht in drei Monaten.
Vielen Dank für das Gespräch!