Die Selbstständigkeit der Unternehmerinnen
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Episode #035: Die Selbstständigkeit der Unternehmerinnen

Reading Time: 6 minutes

In der heutigen Sendung haben wir Nadja Forster aus München zu Gast. Als ausgebildeter Führungskräfte-Coach hat sie sich mittlerweile auf das Thema “Weibliche Unternehmensnachfolge” spezialisiert und berät und begleitet potenzielle Nachfolgerinnen. Außerdem betreibt sie einen Podcast mit dem Titel “Unternehmensnachfolge mit Leichtigkeit und Herz”.

Unternehmenstöchter übernehmen anders

Frau Forster, Sie behaupten: “Unternehmenstöchter übernehmen anders”. Was genau bedeutet das?

Aus meiner Erfahrung heraus gehen Töchter entspannter an die Übernahme. Ihnen ist wichtig, dass mit dem Vater ein guter gemeinsamer Austausch stattfindet. Interessant ist auch, dass die Übergangsphase in der Regel etwas länger dauert und die Tandem-Führung häufiger gewählt wird. Empathie, ein wichtiger Wert in der Zusammenarbeit.

Sie haben gerade nur vom Vater gesprochen. Haben Sie auch schon die Konstellation Unternehmerin und Tochter betreut? 

Die Konstellation gibt es, ich habe sie noch nicht betreut. Was ich bisher kennengelernt habe, auch aus meinem Netzwerk, ist, dass es entweder der Vater ist oder beide Eltern zusammen. 

Söhne werden oftmals bevorzugt

Kommen die Töchter auch eher zum Zug? Oder werden immer noch die Söhne bevorzugt?

Wenn die Tochter die Nachfolgerin ist, dann ist sie entweder ein Einzelkind oder hat einen jüngeren Bruder. Wenn ein älterer Bruder da ist, dann kommt die jüngere Tochter oft gar nicht direkt ins Gespräch. Da muss die Tochter klar sagen, dass sie Interesse an der Aufgabe hat.

Bildet sich da noch ein traditionelles Rollenverständnis ab?

Ich bin keine Expertin in Genderstudies und kann nur aus der Praxis sprechen: Was ich von Töchtern höre, ist, dass die Väter zuerst an die Söhne denken, wenn es um die Nachfolge geht. Einfach aus der Historie heraus. Beim Thema Übergabe ist das klassische Rollendenken leider noch verankert.

Hat das vielleicht mit der Branche zu tun, dass der Vater es für eine Frau als unpassend einschätzt?

Das kommt mit Sicherheit auch vor. Aber ich kenne auch Beispiele, wo der Vater eine Tochter reingeholt hat, die mit der Branche gar nichts zu tun hatte. Er hat ihr das hundertprozentig zugetraut, obwohl sie anfangs Zweifel hatte, ob das gelingt. Ich glaube, es hängt auch sehr damit zusammen, ob die Töchter es sich zutrauen. Dazu kommt die Aufgeschlossenheit des Unternehmers nicht nur auf die Qualifikationen zu schauen, sondern auf die generelle Eignung der Nachfolgerin bzw. der Tochter. 

Herausforderungen für Nachfolgerinnen

In Ihrem Podcast sprechen Sie häufig mit Nachfolgerinnen. Welche Herausforderungen stellen Sie da fest?

Das ist sehr unterschiedlich. Einige haben sehr gelungene, leichte Übernahmen. Eine Kollegin ist zum Beispiel bereits mit 18 Jahren eingestiegen ins Unternehmen, da ihr Vater gesundheitlich eingeschränkt war und Hilfe brauchte für einige Zeit. Mit 22 Jahren hat sie das Unternehmen dann komplett übernommen. Ihr Vater hat sie sehr unterstützt, in dem er ihr eben nicht im Weg gestanden ist, sondern sie einfach auf dem Weg mitgenommen hat. Auch Fehler konnte sie machen.

In einem anderen Beispiel ist eine Klientin von mir vorübergehend ausgestiegen aus dem Familienunternehmen, um zu prüfen, ob es langfristig das Richtige ist. Dann ist sie zurückgekehrt und nun führt sie den Betrieb hauptsächlich alleine. Natürlich gibt es auch Beispiele, wo die Zusammenarbeit kritischer ist.  

Wenn Sie als Coach gebucht werden, was bieten Sie Ihren Mandantinnen an?

Das Schwierigste an einer Übergabe sind eigentlich zwei Dinge: Einen guten Steuerberater zu finden und die emotionalen Themen. Daran sind schon viele Nachfolgen gescheitert. Und genau da unterstütze ich. Zum Beispiel helfe ich den Frauen bei der Entscheidung, ob es das Richtige ist als Unternehmerin tätig zu werden und den Familienbetrieb zu übernehmen. Auch die Phase der Übergabe begleite ich, wenn es darum geht, die Vereinbarungen zu treffen. Wir gestalten die Prozesse zusammen, sodass die Übergabe leicht geht und reibungslos verläuft. Wenn in den Verhandlungen und Gesprächen zwischen Inhaber und Nachfolgerin Komplikationen auftreten, bin ich auch als Moderatorin dabei, um den Knoten schnell wieder aufzulösen.

Mit welchen Techniken arbeiten Sie zum Beispiel? 

Erst mal geht es darum herauszufinden, wer ist die Person und was steckt alles in ihr. Es geht auch darum, die Wünsche kennenzulernen und zu verstehen, wo das Herz hin will. Deswegen schreibe ich auch „mit Herz“, das spielt wirklich eine große Rolle. Es werden viele Nachfolge-Entscheidungen getroffen, weil die Personen glauben, sie müssen übernehmen aus familiärer Verpflichtung. Das kann schnell nach hinten losgehen. Im Gespräch gehen wir dann weg von diesem Verpflichtungsgedanken und schauen uns die persönlichen Faktoren an. Auch Familienplanung spielt da eine Rolle. Es geht darum, die Herausforderungen wirklich im Gesamtbild zu sehen und sich zu fragen: „Passt das wirklich oder ist für mich doch ein anderer Weg von Vorteil?“

Mit Herz dabei sein, das ist eigentlich ein grundsätzliches Thema bei der Nachfolge. Wenn ein Nachfolger sich überlegt, ich möchte das Unternehmen übernehmen, ist ja die Frage nach dem „Warum“ durchaus gerechtfertigt. Mit Ihrer Arbeit startet dann eine Nachfolgerin mit voller Überzeugung in die Rolle. 

Ja, definitiv. Daraus entwickeln sich auch Visionen, wie es mit dem Unternehmen weitergeht.

Es muss nicht immer die Gründung sein

Liegt darin vielleicht auch der Unterschied zwischen der Begeisterung von Frauen für Gründung und für die Nachfolge? Bei den Gründungen haben wir fast Parität erreicht, 40 % der Gründer sind weiblich, allerdings nur 20 % sind Nachfolgerin.

Die meisten denken gar nicht daran, dass es nicht nur die Gründung als Option gibt, sondern, dass sie eben auch ein bestehendes Unternehmen übernehmen können. Das ist in Deutschland nicht wirklich in den Köpfen drin.

Ich mache ja auch Trainings an Hochschulen und sehe, dass die Frauen sehr engagiert sind und hervorragend für die Zukunft vorbereitet durch das Studium. Mittlerweile wird doch häufiger darüber nachgedacht, die eigene Chefin zu sein. 

Dann ist das höhere Bildungsniveau, das wir heute häufiger haben, tatsächlich förderlich dafür, dass wir mehr Nachfolgerinnen kriegen. 

Ich finde schon, ja.

Darauf kommt es bei der Nachfolge auch an:

Jetzt waren wir schon bei dem Punkt der Vereinbarkeit von Familie und Nachfolge. Ist es für eine Nachfolgerin noch mal mehr Druck, sich zu entscheiden oder eben nicht? 

Aus meiner Sicht ist es gerade nicht so. Die Frauen setzen sich natürlich damit auseinander, und die meisten wollen wirklich beides. Deshalb gehen Frauen auch oft in eine Tandem-Führung. Viele fangen schon vorher an, mit dem Vater, oder ein weiteres Geschwister steigt noch mit ein. Manchmal wird auch ein Geschäftsführer von extern eingestellt, damit die Tandem-Phase weiterläuft. 

Meistens funktioniert die Verbindung von Führung und Familie sehr gut. 

Ich kenne sogar eine Nachfolgerin, die ihren eigenen Kindergarten gegründet hat in der Firma, weil sie eben beides haben wollte und im Umland die Möglichkeit fehlte. Mittlerweile ist das der beste Kindergarten in der ganzen Umgebung und läuft als Kooperation mit anderen Unternehmen. Die Frauen haben einfach wirklich in der Führung die Möglichkeit selbst zu gestalten. So entstehen auch neue Arbeitszeitmodelle, um andere Frauen halten oder einstellen zu können. Ich finde es super, wie dadurch Personalentwicklungs-Maßnahmen entstehen.

Ich glaube, gerade für Frauen ist es besonders wichtig, diese unternehmerischen Strukturen als Nachfolgerin zu schaffen, damit man nicht so sehr ans Tagesgeschäft gebunden ist. Wenn das Unternehmen losgelöst vom eigentlichen Unternehmer funktioniert, was ja das Ziel sein sollte, dann ist es ja quasi naheliegend Unternehmerin zu werden.

Ja, ich finde es grundsätzlich gut für die Entwicklung, weil wir mittlerweile ein anderes Verständnis vom Leben haben. Es geht nicht mehr nur darum, tagtäglich aufzustehen und in die Arbeit zu gehen und dann irgendwann im Ruhestand das zu genießen, was wir uns aufgebaut haben. Die jüngeren Generationen wollen das Leben wirklich leben. Durch die Digitalisierung wird es noch einfacher, dass ein Unternehmen losgelöst funktioniert vom Inhaber. Und umso einfacher es wird, um so einfacher wird es, so zu leben, wie man möchte.

Bei deiner Arbeit kümmerst du dich ja auch um die Führungskräfte-Ausbildung. Ich könnte mir vorstellen, dass es unter Umständen auch eine größere Herausforderung ist, in gewissen Branchen eine weibliche Führungskraft als Nachfolgerin zu haben.

Ja, das ist auf jeden Fall so. In männerdominierten Branchen ist es als Frau oft noch eine Herausforderung, direkt am Anfang ernst genommen zu werden. Das ist die erste Hürde, die wir zusammen beseitigen und dann bauen wir die Akzeptanz im Umfeld weiter aus. Dabei ist es so, dass die Töchter die Mitarbeiter dann viel stärker einbeziehen, auch in die Entwicklung der Firma.

Hast du ein, zwei Empfehlungen für die Auswahl der Nachfolge aus deiner Beratungserfahrung?

Meine wichtigste Empfehlung ist, dass die Inhaber mit offenem Blick auf die Person sehen und nicht auf das Geschlecht. Und, dass sie vor allem auf die Fähigkeiten und Eigenschaften schauen. Sehr hilfreich ist auch, ergebnisoffen das Gespräch zu suchen und gemeinsam in die Zukunft zu fantasieren und Fragen zu erörtern wie: „Was stellst du dir für deine Zukunft vor?“ oder  „Wie wäre es, wenn du das Unternehmen führst?“. So erarbeitet man sich einen gemeinsamen Konsens oder sogar eine gemeinsame Entscheidung.

Es ist dann umso schöner mitzuerleben, wenn es „Klick“ macht und dieses Geschlechterthema im Laufe des Prozesses immer weniger wichtig wird und es nur noch um die Sache selbst geht. 

Sollte man überhaupt noch über die Unterschiede von weiblicher und männlicher Nachfolge so hervorheben?

Die Hauptsache ist, dass Unternehmen ordentlich übergeben und ordentlich übernommen werden. Das ist der Fokus und nicht, ob jetzt Männlein oder Weiblein auf der einen oder anderen Seite sitzt.

Bevor wir uns jetzt verabschieden: Gibt es noch etwas, was du den Unternehmerinnen mitgeben willst?

Traut euch. Macht es einfach und nehmt die Sache selbst in die Hand, um es wirklich für sich passend gestalten zu können. Einfach tun.

Super. Und? Und was würden wir jetzt den Unternehmern noch mitgeben?

Augen auf, Ohren auf und einfach mal wirklich die Möglichkeiten zu sehen, die auf dem Weg liegen, und sie dann umzusetzen.

 

Homepage der Gästin:

https://nadjaforster.com/

 

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