mittelständische Unternehmen - Unternehmer Radio
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Episode #039: Digitalisierungsdruck in mittelständischen Unternehmen

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Digitalisierungsdruck in mittelständischen Unternehmen

In dieser Episode haben wir Lennart Paul zu Gast, welcher in seinem Blog Warenausgang.com über aktuelle Trends, Entwicklungen und Start-ups spricht. Außerdem ist Herr Paul ein erfahrener Projektleiter und Vorstandsassistent, der lange Zeit in der Würth Gruppe aktiv war. Er spricht über den Digitalisierungsdruck in kleinen und mittelständischen Unternehmen und wie diese mit der Umsetzung umgehen können. Herr Paul macht neben dem Unterschied zwischen Elektrifizierung und Digitalisierung auch klar, dass die Digitalisierung nicht immer kostspielig und kompliziert sein muss. 

Man hört oft, dass die Digitalisierung oft am Mittelstand vorbeizieht und dass die erste Halbzeit schon um sei. Herr Paul sieht die Panikmache ein Stück weit gerechtfertigt, denn die Digitalisierung scheint unaufhaltsam. So gilt es jetzt Vieles zu entdecken, zu verstehen und umzusetzen. Dennoch sieht Herr Paul das Wort Panik als das falsche Wort und spricht viel mehr von einer Aufbruchsstimmung. Es sei gut, wenn man sich schleunigst mit dem Thema beschäftigt, denn aufgrund des Überwiegens der Chancen gegenüber der Risiken wird es keine Umkehr der Digitalisierung geben.

Die Gründe für die fehlende Aufbruchstimmung

Im Bereich der Digitalisierung ändern sich viele Dinge in einer hohen Geschwindigkeit. Diese zunehmende Dynamik erwischt viele kalt und die Überflutung der Eindrücke führt schnell zur Frustration. 

Lennart Paul sieht aber vor allem auch die gute Auftragslage vieler Branchen als Grund. Als Beispiel wird das Handwerk angeführt. Momentan ist es schwierig Handwerker zu engagieren, was an sich ein schöner Grund ist, da das Handwerk gut ausgelastet ist. Das wiederum ist ein positives Zeichen, dass es der Wirtschaft gut geht. Aufgrund der hohen Auslastung verpassen oder vergessen viele Unternehmer jedoch, sich neuen Dingen zu widmen. Die fehlende Zeit wird hier aus Hauptgrund genannt, dennoch könnte es von Vorteil sein, sich rechtzeitig um die Digitalisierung zu kümmern, um laut Paul “die nächste Welle” mitzunehmen.

Online Giganten übernehmen den Markt

Jeder Unternehmer sollte das eigene Unternehmen genau betrachten, um feststellen zu können, welche Leistungen zukünftig online angeboten werden könnten. So kann verhindert werden, den Anschluss und somit Kunden an Unternehmen zu verlieren, die digital bereits gut aufgestellt sind.  

Herr Paul führt hier Thermondo als Beispiel an. Es handelte sich um ein unbekanntes Start-up, welches sich in kurzer Zeit zum größten Sanitär und Heizungsbauer entwickelt halt. Wenn man dort nicht präsent ist, hat man laut Experten wie Lennart Paul keine Chance im Wettbewerb zu bestehen, auch wenn man davon überzeugt ist, dass die eigene Dienstleistung besser ist.

Ein weiteres Beispiel ist Zalando. Zwar halten sich viele Bewegungen in Deutschland vergleichsweise noch unauffällig, doch Trendsetter Zalando zeigt, dass es auch anders geht. Wer vor 10 Jahren noch glaubte, niemand bestelle Schuhe über das Internet, sieht den Konzern heute jährlich 3 Milliarden € Umsatz machen. Hier ist der Zug für andere endgültig abgefahren.

Jedoch ist dies nicht immer schlecht, denn innerhalb der Digitalisierung bilden sich unzählige Plattformen, die mittelständischen Unternehmen eine große Reichweite bieten können. Die sogenannte GAFA-Ökonomie (GAFA = Google, Apple, Facebook, Amazon) spielt hier eine entscheidende Rolle. Das Gute für Unternehmer im Mittelstand ist, dass auf diesen Plattformen Werbung geschaltet werden kann, die eine enorme Reichweite mit sich bringt. Für diese müssen auch nicht unbedingt Kosten anfallen. Gestaltet ein Unternehmer seine Beiträge interessant oder verwendet Humor, so können diese sich ohne weiteren Kapitaleinsatz verbreiten.

Der Unterschied zwischen Elektrifizierung und Digitalisierung

Ein großes Problem in der Digitalisierung ist, dass diese oft mit Elektrifizierung missverstanden wird. 

Wenn man einem Mitarbeiter ein neues Handy oder einen neuen Laptop in die Hand drückt, dann ist dies noch lange keine Digitalisierung, sondern einfach ein besserer Computer. Auch wenn dann noch ein Dokument auf dem Gerät des Mitarbeiters abgespeichert wird, gilt dies noch nicht als digitalisiert.

Digitalisierung fängt dort an, wo Aufgaben durch Rechenleistung ersetzt werden. Wenn ein Verkäufer ein Programm auf seinem Smartphone hat, dass er vor jedem Kundenbesuch aufmacht und dieses aufgrund des Standorts erkennt, bei welchem Kunden er sich gerade befindet und dann noch alles Aktuelle zu dem Kunden anzeigt, dann spricht Lennart Paul von Digitalisierung. Alles andere sei Elektrifizierung.

Es könnte angezeigt werden, welche Produkte dieser Kunde aktuell nicht kauft, den aber alle anderen Kunden dieser Branche kaufen. Oder wenn das Programm sagt, der Kunde hat letztes Jahr zum gleichen Zeitpunkt viel mehr von Produkt XY gekauft, als dieses Jahr. Dann kann der Verkaufsmitarbeiter mit diesen Informationen arbeiten. 

Es gehe nicht darum, einfach irgendeine Software zu nutzen. Tatsächlich sollte ein Zusammenspiel der eigenen Anforderungen und der Anwendung des geeigneten Produkts erfolgen. Hier ist ein individuelles Produkt, die richtige Anwendung und auch die richtige Schulung extrem wichtig, damit das Konzept der Digitalisierung aufgeht.

So kann man die Digitalisierung angehen

Da sich die breite Masse eher schwertut und die Digitalisierung eine Herausforderung darstellen kann, hat der Digitalisierungsexperte Lennart Paul einige Hinweise, wie man den Weg in die Digitalisierung für mittelständische Unternehmen erleichtern kann.  

Am wichtigsten sei es, nach den eigenen Kunden und dem Markt zu gehen. Unternehmer haben ein tiefes Wissen indem, was sie machen. Aus diesem Grund haben sie es sich vielleicht angewöhnt, das Unternehmen nur von innen heraus zu betrachten. Doch gerade die Sicht von außen, die der Kunden, kann einem Unternehmer am weitesten helfen. 

Zudem sollte die Digitalisierung Schritt für Schritt angegangen werden. Es nützt nichts, mit der Digitalisierung der Buchhaltung anzufangen, wenn beispielsweise die Grundvoraussetzung einer bestehenden Webseite noch nicht erfüllt ist. Jedoch gibt es keine Blueprints für die perfekte Digitalisierung. Es gibt viele Dinge, mit denen man schnell anfangen und die man auch für kleine Budgets testen kann. Wenn es funktioniert, kann man die Idee weiter ausbauen, wenn nicht, dann sucht man weiter nach dem richtigen Rezept. 

Vor allem für mittelständische Unternehmen kann es hilfreich sein, sich Studenten ins Unternehmen zu holen. Diese können ihre Digitalisierungskenntnisse dann lohnenswert einbringen. Auch der Blick ins eigene Unternehmen kann sich lohnen, denn oftmals finden sich auch hier jüngere Mitarbeiter, die einen Blick für nötige Veränderungen haben.

An einem abschließenden Fallbeispiel möchte Herr Paul noch einmal verdeutlichen, was die ersten Schritte sein können. Es handelt sich um ein Unternehmen, dass sich in den nächsten 2 – 5 Jahren auf die Nachfolge vorbereiten und die Digitalisierung angehen möchte. 

Wie beginnt man nun? Es wird ganz klassisch mit einer Art Bestandsaufnahme gestartet. Hier gilt es zu erkennen, was bereits getan wird und was getan werden muss. Die Digitalisierung soll keinesfalls um der Digitalisierung-Willen stattfinden, sondern es muss wirklich geschaut werden, was sinnhaft ist. Über kurz oder lang sollten immer die Schritte eingeleitet werden, die den größten Effekt für das Unternehmen erzielen. Man wird nicht alles gleichzeitig lösen können, weshalb man nicht in Panik verfallen sollte. 

Das Fokussieren auf kleine Ziele und die Schritt-für-Schritt-Absolvierung ist die richtige Herangehensweise. 

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