SE Rechtsform – Was die Europa-AG für Unternehmen bedeutet

SE Rechtsform – Was die Europa-AG für Unternehmen bedeutet
Zentrale Fragen des Verkaufsprozesses

Inhaltsverzeichnis

Merkel Autor auf Unternehmer Radio Geschrieben von Ass. jur. Joachim Merkl Lesedauer: 11 Min.

Bei Ihrem Unternehmen handelt es sich um eine Aktiengesellschaft oder GmbH? Sie wollen Ihr Geschäftsmodell globaler aufstellen? Sie tragen sich mit der Absicht, in andere EU-Staaten zu expandieren? Sollte das alles auf Sie und Ihre Firma zutreffen, könnte die SE Rechtsform interessant und vorteilhaft für Sie sein. Denn bei der Europa-AG handelt es sich um eine spezielle europäische Rechtsform für Aktiengesellschaften, die es Ihnen ermöglicht, Ihre Geschäftstätigkeit in verschiedenen EU-Ländern nach einheitlichen Regeln zu betreiben. 

Die Europa-AG wurde im Jahr 2004 für Unternehmen in EU-Mitgliedstaaten auf der Rechtsgrundlage einer Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft1 aus der Taufe gehoben. Sie wurde aus politischen Gründen zu dem Zweck etabliert, um den Binnenmarkt zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen zu erhöhen. 

Auch wenn es sich bei diesem Statut um eine EU-Verordnung handelt, so bleibt das Recht des Staates, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, für zahlreiche Detailfragen maßgebend. Insoweit wird in dem Statut wird auf zahlreiche Regelungen nationalen Rechts in den einzelnen Mitgliedsstaaten verwiesen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Grenzüberschreitende Unternehmensform in der EU: Die SE ist eine europäische Rechtsform für Aktiengesellschaften, die Unternehmen erlaubt, in mehreren EU-Ländern nach einheitlichen Regeln zu agieren. Sie erleichtert Fusionen, Holdingstrukturen und Tochtergründungen im Ausland.
  • Flexibilität bei Organisation und Sitz: Unternehmen können zwischen einer monistischen oder dualistischen Leitungsstruktur wählen und den Sitz innerhalb der EU verlegen, ohne die Gesellschaft aufzulösen. Diese Struktur bietet besonders für internationale Expansion und Nachfolgeregelungen Vorteile.
  • Kombination aus EU- und nationalem Recht: Das EU-Statut regelt Grundprinzipien, viele Details werden jedoch durch das nationale Recht des Sitzstaates bestimmt, etwa Kapitalanforderungen, Mitbestimmung, Bilanzierung und Steuern. Dadurch können Vorschriften je nach Land variieren.

Was ist die Europa-AG?

Die Europa-AG ist eine Rechtsform für Unternehmen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aktiv sind oder aktiv sein wollen. Das Kürzel SE steht dabei für „Societas Europaea“. Sie bildet gewissermaßen den europäischen Gegenentwurf zur deutschen Aktiengesellschaft. Synonym verbreitet sind in der Praxis häufig die Bezeichnungen ‚Europäische Gesellschaft‘ und Europäische Aktiengesellschaft“. Rechtlich handelt es sich dabei um eine juristische Person in der Unternehmensform einer AG, mit dem Zusatz „SE“ vor oder nach dem Firmennamen. Das Kürzel ,,SE“ leitet sich aus dem Lateinischen ab und steht wörtlich für „Societas Europaea“.

Im nachfolgenden Text wird aus Gründen eines einheitlichen Sprachgebrauchs ebenfalls die Bezeichnung „Europa-AG“ verwendet.

Auswahl operativ tätiger deutscher Unternehmen in der Rechtsform einer Europa-AG

DAX + MDAXTecDax + S-DaxSonstige (Auswahl)
Airbus SE  Aixtron SE**AUTO1 Group SEBASF SE Bilfinger SEBrenntag SE Delivery Hero SEDeutsche Wohnen SEE.ON SE Evotec SE**Fraport AGfreenet AGFresenius SE & Co. KGaA  Fuchs Petrolub SEHannover Rück SE HelloFresh SENemetschek SE**Nordex SE**Porsche Automobil Holding SE Puma SESAP SE**  Ströer SE & Co. KGaATraton SVonovia SE Zalando SE 
Adesso SEAixtron SE**Cancom SECompuGroup Medical SE & Co. KGaADermapharm Holding SEElmos Semiconductor SEEvotec SE**GFT Technologies SEIonos Group SEKlöckner & Co SEKSB SE & Co. KgaAKWS Saat SE & Co. KGaALPKF Laser & Electronics SE
MLP SEMutares SE & Co. KGaANagarro SENemetschek SE**Nordex SE**Norma Group SEPatrizia SEProSiebenSat.1 Media SESAF-Holland SESAP SE**SGL Carbon SESixt SEStabilus SESto SE & Co. KGaAStratec SESuss Microtec SEVerbio SEWacker Neuson SE
ALDI SÜD Dienstleistungs-SE & Co. oHG Allgeier SE Robert Bosch SEBlume2000 SEBorgers SE & Co. KGaABrose SEGfK SEHanseMerkurHolding SEHeller Holding SE & Co. KGaAPeter Huber Kältemaschinenbau SE Alfred Kärcher SE & Co. KGLindner SENagel-Group SE & Co. KGNakiki SE Ottobock SE & Co. KGaAOtto Group SE & Co. KGaA PERI SERocket Internet SE SoSafe SE testo SE & Co. KGaATrützschler Group SE
*nach Notierungen in Aktienindizes + Sonstige 
**Doppelnennungen bei Mehrfachnotierung)  
Stand: 01.08.2025 19.30 Uhr
Quelle: Deutsche Börse2

Welche Vorteile bietet die Societas Europaea (SE) für Unternehmen?

Interessant ist die Rechtsform der Europa-AG, insbesondere als Option für grenzüberschreitend tätige Unternehmen innerhalb der EU. Denn die Gründung einer Europa-AG eröffnet die Möglichkeit, dass Gesellschaften aus verschiedenen EU-Ländern nach vereinfachten Regeln

  • miteinander fusionieren,
  • eine gemeinsame Holding errichten oder
  • Tochtergesellschaften gründen.

Im Unterschied zu der im deutschen Gesellschaftsrecht normierten Aktiengesellschaft, ermöglicht die Europa-AG, Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder GmbH innerhalb der Europäischen Union grenzüberschreitend nach einheitlichen Regeln und Kriterien tätig zu werden. Im Unterschied zu früheren Regelungen entfallen bei den genannten unternehmerischen Aktivitäten jenseits der deutschen Grenzen teure und aufwändige Formalien. Beispielsweise ist auch die Gründung von Europa-AG-Tochtergesellschaften im EU-Ausland mit geringerem Aufwand problemlos realisierbar. 

Wann gilt europäisches und wann nationales Recht?

Soweit im EU-Statut zur Europa-AG keine besonderen europäischen Rechtsvorgaben enthalten sind, ist für die darin ungeregelten Fragen das Recht des EU-Staates, in dem sich der Unternehmenssitz befindet, maßgebend. Eine in der Bundesrepublik ansässige Europa-AG wird beispielsweise im deutschen Handelsregister eingetragen und wie eine Aktiengesellschaft nach deutschem Rechts behandelt. Allerdings können sich die jeweiligen Anforderungen innerhalb der EU möglicherweise von Land zu Land unterscheiden.

Deutsches Recht ist immer dann anzuwenden, wenn das EU-Statut keine konkreten Regelungen zu bestimmten Sachverhalten enthält. 

Hier weitere Beispiele:

  • Erwerb und Übertragbarkeit von Europa-AG-Aktien
  • Haftung der Europa-AG-Aktionäre
  • Konkurs, Auflösung und Liquidation der Gesellschaft

Über welche speziellen Merkmale verfügt die Europa-AG? 

  • Die Europa-AG besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit. 
  • Die Europa-AG muss ihrem Firmennamen den Zusatz „SE“ voran- oder nachstellen (Art. 11). 
  • Der Sitz der Europa-AG befindet sich in dem Mitgliedsstaat, in dem sich die Hauptverwaltung befindet (Art. 7). 
  • Der Sitz kann jederzeit in ein anderes EU-Land verlegt werden (Art. 8). 
  • Auf europarechtlich ungeregelte Sachverhalte wird das Recht des Sitzstaats angewendet. 
  • Das gezeichnete Mindestkapital beträgt mindestens 120.000 Euro (Art. 4).  
  • Eine in Deutschland gegründete Europa-AG wird in das deutsche Handelsregister eingetragen.
  • Eintragung und Löschung einer Europa-AG werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht (Art. 13, 14).

Gelten für alle EU-Staaten identische gesetzliche Regelungen zur Europa-AG?

Generell lässt sich sagen, dass auf alle EU-Ländern einheitlich dieselben Vorschriften nach dem EU-Statut für die Europa-AG anzuwenden sind. Hier tritt die SE Verordnung inkraft. Allerdings lässt das EU-Recht, wie bereits dargelegt, ergänzend auch nationales Recht der einzelnen Mitgliedsstaaten zu. Somit können je nachdem, in welchem Land die Europa-AG ihren Sitz hat, hinsichtlich bestimmtet Sachverhalte unterschiedliche Regelungen existieren.

Wie läuft die SE Gründung ab? 

Als Optionen stehen die folgenden Gründungsalternativen zur Verfügung:

Bildung einer Holdinggesellschaft durch eine AG oder GmbH, soweit mindestens 

  • zwei Gesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen oder 
  • seit mindestens zwei Jahren über eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats unterliegenden Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat verfügen.

Bildung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft zweier oder mehrerer Firmen aus unterschiedlichen EU-Staaten, soweit mindestens 

  • zwei Gesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen oder 
  • seit mindestens zwei Jahren über eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats unterliegenden Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat verfügen.

Ausgründung einer Tochter-Europa-AG aus einer Mutter-Europa-AG,

Verschmelzung von Aktiengesellschaften aus mindestens zwei unterschiedlichen Mitgliedsstaaten,

Umwandlung einer nationalen Aktiengesellschaft in eine Europa-AG, soweit diese AG seit mindestens zwei Jahren über eine Tochtergesellschaft verfügt, die dem Recht eines anderen EU-Staates unterliegt.

Für alle Gründungsvarianten wird eine grenzüberschreitende Tätigkeit verlangt. Im Falle der Umwandlung muss die nationale Gesellschaft seit mindestens zwei Jahren über eine Tochtergesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedsstaat verfügen. 

Unter welchen Voraussetzungen erfolgt die Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft?

Die Gründung einer europäischen Gesellschaft ist grundsätzlich an folgende Bedingungen geknüpft:

  • Reine Neugründungen sind nicht zulässig. 
  • Die Gründung ist juristischen Personen (hier. Kapitalgesellschaften) vorbehalten. Gründungen durch natürliche Personen sind nicht möglich. 
  • Der zentrale Hauptsitz der Gesellschaft befindet sich in einem EU-Mitgliedsstaat.
  • Die Gesellschaft ist mit einer Tochtergesellschaft oder Niederlassung mindestens in einem anderen EU-Land präsent.
  • Das Mindestkapital der neu zu gründenden Europa-AG beträgt 120.000 Euro.

Welche Besonderheiten gelten für die Gründung einer europäischen Gesellschaft?

Die Gründung einer Europa-AG steht nicht nur Aktiengesellschaften, sondern ebenso auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) offen. Letzteres gilt allerdings nur für die Gründung einer Holding-Europa-AG oder einer gemeinsamen Tochter-Europa-AG.

Die Gründung einer Europa-AG wird durch Eintragung ins Handelsregister wirksam. Zuständig ist das Handelsregister desjenigen Mitgliedsstaates, in dem die Europa-AG ihren satzungsmäßig bestimmten Sitz hat. Dieser Sitz muss dem Ort ihrer Hauptverwaltung entsprechen. Zusätzlich wird die Eintragung zu Informationszwecken im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

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Wo wird eine Europa-AG angemeldet und registriert? 

Die Europa-AG wird in das Handelsregister des Mitgliedsstaates eingetragen, in dem sie ihren satzungsmäßig bestimmten Sitz hat. Dieser Sitz muss dem Ort ihrer Hauptverwaltung entsprechen. Zuständig ist das Handelsregister jenes Mitgliedsstaates, in dem die Europa-AG ihren Unternehmenssitz hat. Zusätzlich wird die Eintragung zu Informationszwecken im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Zur Registrierung der Europa-AG im Handelsregister sind die dazu relevanten Unterlagen einzureichen. Dazu zählen insbesondere die

  • notariell beurkundete Gründungsurkunde, 
  • notariell beurkundete Hauptversammlungsprotokolle, 
  • Beschlüsse des Aufsichtsrates, 
  • Liste und Duplikate der gezeichneten Anteilsscheine sowie ein Verzeichnis der Zeichner. 

Liegen die erforderlichen Dokumente vor, teilt die nationale Registerbehörde dem Amt für Veröffentlichungen in der EU mit, dass die Registereintragung beantragt wurde. Diese Mitteilung enthält:

  • Name der Europa-AG,
  • Firmensitz der Europa-AG,
  • Tätigkeitsbereich,
  • Nummer, Datum und Ort der Eintragung,
  • Datum, Ort und Titel der Veröffentlichung, mit der die Informationen über die Europa-AG in Deutschland mit dem Gesellschaftssitz bekannt gemacht wurden.

Die übermittelten Angaben werden von der europäischen Behörde übernommen und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Jederzeit ist es möglich, den Sitz innerhalb der Europäischen Union zu verlegen, ohne dass dies zur Auflösung der bis dahin bestehenden Europa-AG oder zwangsläufig zur Gründung einer neuen führt. Vorausgesetzt, über die Gesellschaft wurde kein Konkurs-, Liquidations- oder Insolvenzverfahren eröffnet. Eine geplante Sitzverlegung ist zwei Monate vorher öffentlich anzukündigen. Außerdem müssen sich die Aktionäre damit einverstanden erklären. Werden diese Anforderungen erfüllt, wird die Sitzänderung im EU-Amtsblatt bekannt gemacht.

Welche Gründe sprechen für die Europa-AG, welche dagegen?

Die Europa-AG (SE) bietet Unternehmen zahlreiche Chancen für internationale Expansion, birgt jedoch auch Herausforderungen. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Vor- und Nachteile in komprimierter Form.

ProContra
Einheitliche EU-weite RegelnKomplexe gesetzliche Vorgaben
Einheitlicher Handelsname in der EUGründungsprozess oft aufwendig
Leichte Gründung in jedem MitgliedstaatHäufig Nutzung von Vorrats-SE nötig
Flexible Wahl der Unternehmensverfassung
Sitzverlegung in anderes EU-Land möglich
Grenzüberschreitende Fusionen und Expansion
Effiziente Konzern- und Holdingstrukturen
Hohes internationales Ansehen
Geringere Markteintrittshürden

Können sich nur Aktiengesellschaften zu einer Europa-AG zusammenschließen? 

Nein, die Gründung einer Europa-AG steht außer Aktiengesellschaften auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) offen. Allerdings gilt dies nur für die Fälle, in denen eine Holdinggesellschaft oder einer gemeinsamen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer Europa-AG gegründet werden soll.

Außerdem müssen die Gesellschaften mit beschränkter Haftung entweder in verschiedenen Mitgliedsstaaten ansässig sein oder Tochtergesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat unterhalten. Nicht möglich ist eine rechtsformwechselnde Umwandlung einer GmbH in eine Europa-AG oder die Beteiligung einer GmbH an einer Verschmelzung. Hier bleibt es bei dem der umständlicheren Weg einer vorherigen Umwandlung der GmbH in eine Aktiengesellschaft nationalen Rechts. 

Welche Organe hat die SE-Holding? 

Organ auf Seiten der Aktionäre ist die Hauptversammlung. Laut EU-Statut besteht für die Europa-AG im Rahmen ihrer inneren Verfassung die Wahlmöglichkeit zwischen einer monoistischen und einer dualistischen Organisation. Innerhalb des monoistischen Systems existiert lediglich ein einziges Verwaltungsorgan. Im Unterschied dazu sieht das dualistisches System sowohl ein Leitungs- als auch ein Aufsichtsorgan vor. Dem entspricht der in Deutschland geltenden Aufteilung in Vorstand und Aufsichtsrat

Für beide Systeme gilt, dass die Mitglieder der Organe für maximal sechs Jahre bestellt werden können (Art. 46). Allerdings besteht anschließend die Möglichkeit einer erneuten Berufung in diese Gremien. Für die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder existieren keine Untergrenzen. 

Wie steht es um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Europa-AG? 

In puncto Mitbestimmung besteht für die Europa-AG folgendes Grundprinzip: Das deutsche Mitbestimmungsrecht gilt grundsätzlich nicht für die Europa-AG. Das bedeutet im Klartext: Eine rechtliche Verpflichtung auf Arbeitgeberseite, den Beschäftigten ein Recht auf Mitbestimmung einzuräumen, existiert generell nicht. 

Zum Vergleich: Nach geltendem deutschem Recht sind lediglich Unternehmen unter 500 Mitarbeitern mitbestimmungsfrei. Bei einer deutschen AG oder GmbH mit mehr als 500 und bis zu 2.000 Mitarbeitern beträgt die Beteiligungsquote zu Gunsten der Arbeitnehmer ein Drittel. Liegt die Zahl der Beschäftigten über dem Schwellenwert von 2.000 findet die Beteiligung der Arbeitnehmer paritätisch statt, beläuft sich folglich auf 50 %.

Der zum Gründungszeitpunkt der Europa-AG geltende Status Quo der betrieblichen Mitbestimmung wird auf unbestimmte Zeit festgeschrieben. Er bleibt dann gewissermaßen für immer „eingefroren“. Das gilt unabhängig davon, welche Größe das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt einmal tatsächlich erreicht. 

Beispiel: Beträgt die Zahl der Mitarbeiter 500 oder weniger, besteht nach deutschem Recht kein Anspruch der Arbeitnehmer auf Mitbestimmung. Gründet eine deutsche AG oder GmbH eine Europa-AG wird dieser mitbestimmungsfreie Zustand dauerhaft festgeschrieben, auch wenn die Mitarbeiterzahl künftig über die 500 Mitarbeiter-Schwelle hinaus anwächst.

Allerdings gilt auch: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich auf ein beliebiges Mitbestimmungsmodell einigen. Möglich sind individuelle Vereinbarungen mit den Arbeitnehmervertretern, die auf Freiwilligkeit beruhen. Die Regeln zur Arbeitnehmerbeteiligung können somit zwischen der Unternehmensführung und den Arbeitnehmern gesondert und individuell ausgehandelt werden. Solche Verhandlungen sind jedoch ausschließlich in der Gründungsphase vorgesehen. 

Wie erstellt die SE ihre Bilanzen? 

Die maßgeblichen Vorschriften zur Rechnungslegung der Europa-AG richten sich stets nach dem Recht des Sitzstaates. Danach ist die Europa-AG verpflichtet, die für Aktiengesellschaften geltenden Regeln desjenigen EU-Landes einhalten, in dem das Unternehmen registriert wurde.

Ist demnach deutsches Recht anwendbar, so stellt die Europa-AG einen Jahresabschluss auf. Dieser besteht aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung, dem Anhang zum Jahresabschluss sowie dem Bericht über den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft (Art. 61). 

Wonach bestimmt sich ist die Steuerpflicht einer Europa-AG? 

Spezielle steuerrechtliche Regelungen sind für die Europa-AG im EU-Statut nicht ausdrücklich normiert. Daher unterliegt die Europa-AG, die sich zum Beispiel im Format eines Mutter-Tochter-Unternehmens organisiert hat, dem jeweiligen nationalen Steuerrecht des Landes, in dem die einzelnen Gesellschaften der Europa-AG ihren Sitz haben. 

Danach gilt: Die Europa-AG unterliegt im Land der Geschäftsleitung Sitzes der unbeschränkten Steuerpflicht. Mit ihren Betriebsstätten und Niederlassungen im EU-Ausland ist sie grundsätzlich in dem jeweiligen Land steuerpflichtig und muss die dortigen steuerlichen Pflichten erfüllen. Somit darf die GmbH Steuer nicht komplett vergessen werden, falls eine GmbH in die Ag integriert ist.

Unterhält die Europa-AG ihren Hauptsitz in der Bundesrepublik, ist sie steuerlich wie jede andere inländische Kapitalgesellschaft zu behandeln. Daher unterliegt sie der Pflicht zur Zahlung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.

Wenn sich die einzelnen Unternehmensbestandteile der Europa-AG in verschiedenen Mitgliedsstaaten befinden, droht zwar prinzipiell stets eine Doppelbesteuerung, die jedoch nach EU-Recht ausgeschlossen sein soll. 

Besonders für grenzüberschreitend aktive Europa-AG sind daher Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) von besonderer Bedeutung. Denn unterhält die Europa-AG Zweigniederlassungen in einem anderen EU-Land, gilt das sogenannte Betriebsstättenprinzip. Nach den geltenden Regeln zur Doppelbesteuerung wird der Gewinn jeder Niederlassung im Land des Sitzes der Betriebsstätte besteuert.

Gewinnausschüttungen wie etwa Dividendenzahlungen an die Aktionäre unterliegen ebenfalls uneingeschränkt den nationalen Bestimmungen des Sitzstaates mit sämtlichen Steuerprivilegien wie etwa in Deutschland der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren.

Ausblick zur SE Rechtsform

Gegenüber einer nationalen Kapitalgesellschaft, etwa in der Rechtsform einer hiesigen AG oder GmbH zeichnet sich die Europa-AG besonders durch ihre hohe Flexibilität aus. 

Vorteile für mittelständische Unternehmen bietet besonders das zur freien Disposition stehende monistische System bei der Wahl der Organstruktur. Denn sie ermöglicht Gestaltungsfreiheiten, u.a. bei der betrieblichen Mitbestimmung und bei der inneren Verfassung der Gesellschaft. 

Dies trifft vor allem auf familiengeführte Unternehmen zu, wenn der Verwaltungsrat mit Familienmitgliedern und die Geschäftsführung mit externen Managern besetzt wird. So sichern und erhalten sich die Familien ihren maßgeblichen Einfluss auf die geschäftlichen Aktivitäten der Unternehmensleitung.

Unter strategischen Aspekten ist die Europa-AG mit einer monistischen Ausrichtung auch als „Vehikel“ für die Unternehmensnachfolge nutzbar. Beispiel: Der Senior zieht sich nach seinem Ausscheiden aus dem operativen Geschäft in den Verwaltungsrat der Europa-AG zurück, von wo aus er die Grundzüge der Geschäftspolitik grundlegend steuern kann.  

Häufig gestellte Fragen

Was sind die Grundlagen der SE als Rechtsform?
Die SE ist eine europäische Gesellschaftsform für Aktiengesellschaften, die in mehreren EU-Staaten tätig sein wollen. Sie kombiniert EU-weite einheitliche Regeln mit nationalem Recht und bietet damit flexible Strukturen für grenzüberschreitende Unternehmen.
Welche Vorteile hat eine Vorrats-SE für den Mittelstand?
Eine Vorrats-SE ist bereits gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Mittelständische Unternehmen können so sofort starten, ohne den aufwendigen Gründungsprozess durchlaufen zu müssen, und direkt Kapitalmaßnahmen oder Konzernstrukturen umsetzen.
Welche Rolle spielt das Gesetz bei der Gründung einer Holding-SE?
Das SE-Gesetz und das EU-Statut regeln die Voraussetzungen, etwa das Mindestkapital von 120.000 Euro, die Organstruktur und die Möglichkeit, mehrere Gesellschaften in einer Holding-SE zu bündeln. Nationale Gesetze ergänzen diese Bestimmungen.
Welche Probleme können bei einer SE-Gründung auftreten?
Herausforderungen ergeben sich oft aus der Kombination von EU- und nationalem Recht. Unterschiedliche Vorschriften zu Mitbestimmung, Steuerpflicht oder Unternehmenssitz können die Umsetzung komplex machen, besonders bei internationalen Konzernen.
Ist die SE auch für kleinere Konzerne und den Mittelstand geeignet?
Ja, besonders für mittelständische Konzerne bietet die SE Vorteile. Sie ermöglicht eine einheitliche Konzernstruktur in mehreren EU-Ländern, erleichtert die Expansion und kann als Holding-SE für verschiedene Gesellschaftsformen genutzt werden.
Über den Autor
Merkel Autor auf Unternehmer Radio
Ass. jur. Joachim Merkl

Justiziar / Syndikusanwalt

Joachim Merkl ist Voll-Jurist und erfahrener Autor mit einem Schwerpunkt auf Unternehmensnachfolge und Erbrecht. Nach seinem Jura-Studium an der Universität zu Köln arbeitete er viele Jahre erfolgreich als Wirtschafts- und Finanzjournalist für renommierte Medien wie „Capital”, „Finanztest” und das Wirtschaftsmagazin „DM”. Außerdem war Joachim Merkl als Justiziar und Rechtsanwalt tätig. Seit 2010 berät er KMU zu Forschungs- und Innovationsvorhaben sowie in Fragen der Projektfinanzierung. Als Autor veröffentlichte er zahlreiche Fachbücher, die sich u.a. praxisnah mit Themen zur Unternehmensgründung, zum Arbeitsrecht sowie der Finanz- und Vermögensplanung auseinandersetzen.

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